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Brändle hat sich zu einem hervorragenden Zeitfahrer entwickelt.

Foto: APA/EPA / Flüeler

Utrecht/Wien – Nicht überall, wo Frankreich draufsteht, ist ausschließlich Frankreich drin. Die Tour de France etwa wurde 1954 erstmals im Ausland, in den Niederlanden, gestartet. Daran knüpft man heuer quasi an, die 102. Auflage der Rundfahrt beginnt am Samstag in Utrecht. Und sie beginnt, wie das Sitte ist, mit einem Zeitfahren. Weniger traditionell ist die Tatsache, dass dabei ein Österreicher mitmischen könnte. Matthias Brändle aus Hohenems strebt einen Top-Ten-Platz an. Der 25-Jährige gewann heuer den Prolog zur Belgien-Rundfahrt und belegte im Prolog zur Tour de Suisse Rang drei. Nach 5,1 Kilometern lag er vier Sekunden hinter dem Holländer Tom Dumoulin, zwei Sekunden hinter dem Schweizer Fabian Cancellara.

Brändle hat sich, wenn man so will, gemausert. Im Vorjahr, in seiner zweiten Saison beim Schweizer IAM-Team, gewann er zwei Etappen der stark besetzten Großbritannien-Rundfahrt. Am 30. Oktober schaffte er als Stundenweltrekordler gar Historisches, nachdem der Weltverband (UCI) neue Auflagen zur Beschaffenheit des Zeitfahrrads beschlossen hatte. Brändle nützte ein kleines Zeitfenster und überbot den Deutschen Jens Voigt mit 51,852 Kilometern um 737 Meter. Mittlerweile wurde er selbst überboten, zuletzt vom Briten Bradley Wiggins, dessen 54,526 Kilometer länger Bestand haben könnten.

Bremsen gehört dazu

So oder so hat dem Österreicher das geglückte Unterfangen "viel Selbstvertrauen gegeben". Er wisse nun, "dass ich etwas schaffen kann, wenn ich es mir wirklich vornehme". Was er sich für Samstag genau vornimmt, behält Brändle für sich. "Ich will ins Ziel kommen und mich völlig verausgabt haben." Der Prolog ist mit 13,8 Kilometern länger als jener in der Schweiz, zudem kurvenreich. "Ich mag das", sagt Brändle, schließlich sollte ein guter Radrennfahrer nicht nur permanent kurbeln, sondern auch zeitgerecht bremsen können. "Und die Zuseher haben auch mehr davon, wenn nicht bloß alle paar Minuten einer vorbeiflitzt."

Seit fünf, sechs Jahren, sagt Brändle, habe er sich sukzessive entwickelt. "Diese Zeit braucht es, damit man einen gewissen Level erreicht." Zuletzt verlegte er sich immer mehr aufs Zeitfahren. "Ich hab gemerkt, dass ich mich mit meiner Größe und meinem Gewicht spezialisieren muss." Er misst 1,89 Meter und wiegt 78 Kilogramm, damit kann er in den Bergen mit den sogenannten "echten Gämsen" nicht ganz mithalten. Im Kampf gegen die Uhr aber zählt er sich mittlerweile zu den Besten. Doch natürlich sei "die Luft", sagt Brändle, "nirgends so dünn wie bei der Tour".

Berninapass gehört dazu

Um sich optimal vorzubereiten, dünne Luft in ganz anderem Sinn zu atmen und Kondition zu tanken, ist Brändle in die Höhe gegangen. Er zog, wie vor der Belgien-Rundfahrt und der Tour de Suisse, für eine Woche ins 2309 Meter hoch gelegene Hospiz auf dem Schweizer Berninapass. "Da bleiben Auto- oder Motorradfahrer stehen, um etwas zu essen oder zu trinken – aber es gibt schon auch Zimmer." Nur für Zeitfahreinheiten begab sich Brändle nach Sankt Moritz, dafür war ihm der Pass dann doch zu steil.

Auf die Meisterschaften am Wochenende hat Brändle bewusst verzichtet. Die Titel dort gingen just an Marco Haller (Straßenrennen) und Georg Preidler (Zeitfahren), die ebenfalls am Samstag am Tour-Start stehen. Sie sollen drei Wochen lang ihre sprintstarken Kapitäne unterstützen – Preidler hilft bei Giant-Alpecin dem Deutschen John Degenkolb, Haller bei Katjuscha dem Norweger Alexander Kristoff. Auch in Fluchtgruppen dürfte von den drei Österreichern am ehesten Brändle auftauchen – wobei die Luft nicht nur oben, sondern auch vorn dünner zu werden pflegt. (Fritz Neumann – 1.7. 2015)

Die Österreicher bei der Tour de France (mit Gesamt-Platzierungen, Etappensiegen und Gelbem Trikot):

Max Bulla:
1931 (Gesamt-15./3 Etappensiege und Gelbes Trikot), 1932 (19.), 1933 (a=ausgeschieden), 1936 (a)

Karl Thallinger:
1933 (a), 1936 (a)

Albert Oblinger:
1936 (a)

Franz Dunder:
1936 (a)

Alfred Kain:
1954 (a), 1955 (a)

Kurt Schneider:
1954 (68.), 1955 (50.)

Kurt Urbancic:
1954 (a)

Adolf Christian:
1957 (Gesamt-Dritter, Etappen-3. Cannes), 1958 (28.), 1959 (41.)

Richard Durlacher:
1959 (a)

Wilfried Thaler:
1960 (a)

Gerhard Schönbacher:
1979 (89./Letzter), 1980 (85./Letzter), 1981 (112.)

Erich Jagsch:
1980 (a)

Harald Maier:
1982 (78.), 1984 (a), 1992 (50.)

Gerhard Zadrobilek:
1987 (14.), 1988 (21.), 1989 (60.)

Helmut Wechselberger:
1989 (42.)

Georg Totschnig:
1995 (37.), 1997 (34./Sieg in Teamwertung mit Telekom), 1998 (27.), 1999 (20.), 2003 (12.), 2004 (7./ Etappen-3. Plateau de Beille), 2005 (26./Etappensieg Ax-Trois Domaines), 2006 (47.)

Peter Luttenberger:
1996 (5./Etappen-3. Les Arcs), 1997 (13.), 2000 (21./Etappensieg im Team-Zeitfahren mit Once), 2002 (a), 2003 (13./ Sieg in Teamwertung mit CSC)

Gerhard Trampusch:
2002 (63.)

Rene Haselbacher:
2003 (a), 2004 (a/jeweils nach Sturz)

Gerrit Glomser:
2003 (64.), 2004 (a), 2005 (a/Etappen-4. Karlsruhe)

Peter Wrolich:
2004 (113.), 2005 (146./Etappen-2. Tours), 2006 (135.), 2007 (133.), 2009 (a)

Bernhard Eisel:
2004 (131.), 2005 (143./Etappen-3. Karlsruhe), 2006 (108.), 2007 (121./Etappen-6.), 2008 (144.), 2009 (150.), 2010 (156.), 2011 (161.), 2012 (146.), 2014 (126.)

Bernhard Kohl:
2007 (31./Etappen-7.), 2008 als Gesamtdritter und Bergkönig wegen Doping disqualifiziert

Thomas Rohregger:
2010 (74.)

Markus Eibegger:
2010 (a)