Wenn Sie diesen Satz zu Ende gelesen haben, ist alles schon vorbei. Eine Sekunde. Ein Moment zum Innehalten. Genauer: ein Moment, in dem man den Sekundenzeiger der Uhr genau um Mitternacht "koordinierter Weltzeit" des 30. Juni für eine "Schaltsekunde" vor Beginn des 1. Juli hätte anhalten sollen.

Hat wahrscheinlich kaum jemand mit dieser Pünktlichkeit gemacht, mitten in der Nacht hat man ja Besseres zu tun.

Aber das gilt eben nur für jenen Großteil der Menschheit, dem die Uhr gerade einmal eine ungefähre Zeitangabe liefern muss. Wissenschafter sehen das präziser, sie definieren die Sekunde genau als 9.192.631.770 Schwingungen eines Mikrowellensignals, das Cäsiumatome in einer Atomuhr anregt.

Zu solcher Exaktheit ist Mutter Erde nicht imstande. Die dreht sich nämlich unregelmäßig, sie wird, wie man weiß, aber eben nicht spürt, immer langsamer. Moderne Zeitmessung muss da nachhelfen, sonst kommen Uhren irgendwann mit dem Tag-Nacht-Rhythmus durcheinander.

Im größeren Maßstab kennt man das ja seit Jahrhunderten: In der Schule haben wir gelernt, dass unter Papst Gregor XIII. der julianische Kalender reformiert wurde – über die Jahrhunderte hatte sich in die Zeitrechnung eine Ungenauigkeit von immerhin zehn Tagen eingeschlichen, das julianische Kalenderjahr erwies sich gegenüber dem Sonnenjahr als zu lang. Also wurden im Jahr 1582 einfach zehn Tage übersprungen – auf Donnerstag, den 4. Oktober 1582 ließ man Freitag, den 15. Oktober 1582 folgen. Und führte fortan ein System von regelmäßig eingefügten Schaltjahren ein.

Mit den Schaltsekunden ist das ein bisschen komplizierter, nicht nur weil die "koordinierte Weltzeit" (Coordinated Universal Time, kurz UTC) gegenüber unse-rer Mitteleuropäischen Sommerzeit (MSZ) um zwei Stunden verschoben ist. Sondern weil diese UTC sich eben unbestechlich an der Atomuhr orientiert, während die Erde sich mit (wenn auch minimalen) Anomalien um die Sonne und um die eigene Achse bewegt.

Damit differieren Sonnenzeit und UTC. Dabei weicht die UTC von der Atomzeit (TAI für französisch Temps Atomique International) auch ein wenig ab – weshalb man unregelmäßig mit Schaltsekunden das System wieder ins Gleichgewicht zu bringen versucht. Solche Schaltsekunden gab es seit 1972 nun schon das 26. Mal. Also fast eine halbe Minute geschenkter Zeit. (Conrad Seidl, 1.7.2015)