Bis zum Ramadan-Beginn am 17. Juni sollte eine Einigung über eine libysche Konsensregierung stehen. Das hat Uno-Vermittler Bernardino León nicht geschafft, aber zu Wochenbeginn verkündete er Land in Sicht. Womöglich wird es noch diese Woche eine Formel geben, die die Normalisierung zwischen den kriegführenden Machtzentren in Tobruk und Tripolis einleitet.

Regierung und Parlament, Gegenregierung und Gegenparlament, beide Blöcke pochen auf ihre Legalität – und im durch den Bürgerkrieg entstandenen Vakuum schlägt derweil der "Islamische Staat" Wurzeln. Auch die Attentäter von Sousse in Tunesien hatten ihre libyschen Verbindungen. Nicht nur Libyen, die ganze Region steht vor dem Abgrund, daraus dürften nun auch endlich die kriegführenden Parteien die richtigen Konsequenzen ziehen.

Der Uno-Plan sieht – in einem sehr komplexen Abkommen – einen Kompromiss vor, der die Rechtmäßigkeit des 2014 gewählten und nach Tobruk geflüchteten Parlaments bestätigt, gleichzeitig jedoch ein neues Organ, den Staatsrat, schafft, der mehrheitlich aus dem Gegenparlament in Tripolis gespeist ist. Dazu wird der Nationale Dialog als Krisenfeuerwehr institutionalisiert.

So soll der politische Prozess fast vier Jahre nach dem Sturz Muammar al-Gaddafis neu gestartet werden. Die Konstruktion ist fragil, zumal die beiden Blöcke in sich fragmentiert sind. Aber es ist ein Strohhalm der Hoffnung für die Libyer. (Gudrun Harrer, 30.6.2015)