Wien – Manchmal meint es der Zufall ja gut mit einem. So wie zum Beispiel jetzt mit der Denkfabrik Agenda Austria. Den Vortrag des deutschen Ökonomen Hans-Werner Sinn am Dienstag im Oktogon der Bank Austria hatte sie schon im November ausgemacht. Thema: "Die griechische Tragödie". Wer hätte damals gedacht, mit diesem Vortrag derart am aktuellen Geschehen teilhaben zu können?

Für den Professor und Präsidenten des Münchner Wirtschaftsforschungsinstitut Ifo liegt die Ursache der griechischen Misere auf der Hand: Das Land habe jahrelang über seinen Verhältnissen gelebt. Das lasse sich daran ablesen, dass die Lohnentwicklung in Griechenland konstant über dem Produktivitätswachstum gelegen sei. Dadurch habe das Land seine Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt. Ein weiterer Indikator hierfür sei, dass der Konsum relativ zur Wirtschaftsleistung sehr hoch sei. Während Österreich und Deutschland sich im Bereich 85 bis 90 Prozent bewegten, seien es bei Griechenland um die 113 Prozent. Unerwähnt bleibt bei diesem Vergleich, dass die griechische Wirtschaft in den Krisenjahren um ein Viertel eingebrochen ist.

"Raus aus dem Euro"

Auch die rasante Lohnentwicklung im Balkanland sei nur die eine Seite der Medaille, räumt Sinn auf Nachfrage ein. Länder wie Deutschland seien gemessen an ihrer Produktivität zu billig, sie lebten unter ihren Verhältnissen. "Höhere Löhne in Deutschland wären gut für das Land und für Europa."

Sinns Rat an die Regierung in Athen: Raus aus dem Euro und auf eine "Rettung durch Abwertung" setzen. "Nach vielleicht zehn Jahren, wenn das Land wieder gesundet ist, könnte es wieder zum Euro kommen", so Sinn.

Die extrem hohen Auslandsschulden Griechenlands hingegen sind für den Ökonomen Schnee von gestern: "Die sind weg. Da können sich die Gläubiger im Kreis drehen." Österreich müsste dann auf 9,2 Milliarden Euro verzichten. (ama, 1.7.2015)