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Ist "froh, dass der Laden gut funktioniert" mit dem neuen Paket und der "überwältigenden Zustimmung" der Ärzte: der Wiener Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres.

Foto: APA/Herbert Pfarrhofer

Wien – Das Knifflige am rhetorischen Werkzeug der Zuspitzung ist mitunter die Frage, wie man im Fall der Fälle aus der Nummer wieder herauskommt. So prangte Mittwochvormittag von der vom Wiener Ärztekammerpräsidenten Thomas Szekeres betriebenen Website notstandspital.at noch der kämpferische Aufruf "Wir lassen uns nicht für dumm verkaufen!", zeitgleich schlug Szekeres im STANDARD-Gespräch bereits verbindlichere Töne an.

Schreiben, Schreien, Streiken

"Wir wollen nicht streiken", sagte er im Vorfeld der entscheidenden Sitzung. Das Problem: Knapp zuvor hatten ganze 93,45 Prozent der in Wiener Gemeindespitälern angestellten Ärzte ihre Streikbereitschaft signalisiert. Jedenfalls dann, wenn Arbeitszeitverkürzung und neues Gehaltsschema so kommen, wie einst im Einvernehmen mit der Standesvertretung vereinbart und später gegen ihren Willen beschlossen. Am Mittwoch war alles anders. Szekeres: "Die Drähte laufen heiß." Ein Verhandler berichtet dem STANDARD, in diesen Telefonaten "schreien wir uns auch an".

Ob Wiens Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) deshalb bereits vor der Kuriensitzung so optimistisch war, gar eine "Last-minute-Einigung" mit drei Kammerfunktionären verkündete? Vielleicht lag es aber auch an den Inhalten des neuen Pakets. Das beinhaltet zusammengefasst:

  • Sonn- und Feiertagsdienste bringen ab 1. 1. 2016 nicht nur die bereits bestehende Zulage für jede Normalarbeitsstunde an diesen Tagen. Hinzu kommen jetzt weitere 7,25 Euro. Die entstehenden Mehrkosten konnte Wehsely am Mittwoch nicht beziffern, diese würden auf Basis der entstehenden Überstunden berechnet. Überstunden an Sonn- und Feiertagen sollen künftig nicht mehr im Verhältnis 1:2, sondern im Verhältnis 1:1,5 abgegolten werden.
  • Nachtdienste werden besser bezahlt. Statt 75 Euro gibt es ab Jänner jetzt 105 Euro, die ab Juli 2016 noch einmal auf 135 Euro pro Dienst angehoben werden.
  • Psychiatrie und Zentrale Notfallaufnahme: Wer hier arbeitet, bekommt noch einmal extra – in Form einer Psychiatriezulage von 500 Euro, 14-mal jährlich. Für die Notfallaufnahme gibt es ab Jänner um fünf Euro pro Stunde mehr.
  • Weitere Lohnrundenerhöhungen will die Stadt Wien damit für die nächsten beiden Jahre aussetzen. Auch verpflichten sich die Ärzte laut diesem Papier zum "Stillhalten zu Gehaltsfragen bis 2017", den "Verzicht auf weitere Urabstimmungen" sowie zur "Einstellung sämtlicher Kampagnen" .

"Überwältigende Mehrheit"

Laut Szekeres hat die Kurie diesem Paket Mittwochabend "mit überwältigender Mehrheit zugestimmt", seiner Schätzung zufolge mit mehr als 90 Prozent Prostimmen. Die wichtigsten Forderungen der Ärzteschaft seien erfüllt, einzig bei der Abgeltung der Überstunden reklamiert man: Diese "widerspricht" laut Szekeres "der Dienstordnung für Mitarbeiter der Gemeinde Wien", sei auch "rechtlich nicht haltbar". Darüber hinaus findet er im STANDARD-Gespräch nur lobende Worte, spart sich Persönliches, weil "das Wichtigste ist, dass der Laden gut läuft".

Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) zeigte sich über die Entscheidung und "Diktion" der Ärztekammer am Mittwochabend "verwundert" . Bei dem Paket handle es sich um kein Angebot der Stadt. Es sei im Auftrag der Ärztekammer vom Kammeramtsdirektor ausverhandelt worden. "Der medial übermittelte Beschluss entspricht nicht mehr dem ursprünglich selber ausverhandelten Paket, sondern wurde modifiziert", sagte Wehsely. Diesen werde man nun beurteilen.

Anonym zum Arzt

Weiterhin für Streit sorgt das Thema Mystery-Shopping. Der Regierungsplan sieht vor, dass die Krankenkassen künftig Testpatienten in Ordinationen schicken sollen, um herauszufinden, ob die Ärzte Gefälligkeitsgutachten für Krankenstände erstellen oder falsche Abrechnungen vornehmen. Nach Kritik daran erklärte Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) zuletzt, ihr sei das Thema kein Anliegen.

Im Sozialausschuss des Nationalrats wurde die Vorlage am Mittwoch aber unverändert beschlossen, was den Gesundheitssprecher der ÖVP, Erwin Rasinger, auf die Palme bringt. "Ich fühle mich von der Ministerin zum Narren gehalten." Werde der Passus nicht abgeändert, werde er nächste Woche im Plenum des Nationalrats dagegen stimmen, so Rasinger. (APA, go, riss, 1.7.2015)