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Sandsäcke gegen Hochwasser: Vier Millionen Österreicher helfen unentgeltlich. An der Gemeinnützigkeit hängen 70.000 Jobs.

APA, Herbert Neubauer

Wien – Vier Millionen Menschen in Österreich tun es: Arbeiten zugunsten der Gesellschaft aus freien Stücken und ohne Entgelt. Sie engagieren sich kulturell, sozial und religiös, bringen sich in Sport und Bildung ein, leisten Katastrophenhilfe und kümmern sich um Umweltbelange. 93 Prozent möchten damit anderen helfen. Nahezu ebenso vielen macht es Spaß, etwas Nützliches zum Gemeinwohl beizutragen. Diese Gemeinnützigkeit hat hohen gesellschaftlichen Wert – aber auch monetären. Diesen hat eine Studie nun erstmals erhoben.

Grob gerechnet, sind es in Österreich zehn Milliarden Euro an jährlicher Wertschöpfung, die dadurch generiert werden. An ihr hängen zudem rund 70.000 Arbeitsplätze. Diese Bilanz zieht Gottfried Haber, der den Sektor an der Donau-Universität Krems unter die Lupe nahm. Sein Auftraggeber war die Vinzenz-Gruppe, ein privater Betreiber gemeinnütziger Krankenhäuser und Pflegeheime. Politiker legten die Eckpunkte des Berichts Mittwochabend in Wien vor.

Schwache Datenlage

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) bildet Gemeinnützigkeit kaum bis gar nicht ab. Das liegt zum einen an ungenauem und veraltetem Datenmaterial, zum anderen an heiklen Abgrenzungen. Oft existiert kein Marktpreis als Referenzwert. Viele Leistungen werden zudem unterbewertet, da ehrenamtliche Arbeit das Lohnniveau vor allem im Sozialbereich spürbar dämpft.

Studienautor Haber hält die errechneten zehn Milliarden Euro Wertschöpfung für sehr konservativ und am unteren Ende der Skala angesetzt. Er rät jedenfalls zu einer Ergänzung des BIP um den Effekt der freiwilligen unbezahlten Tätigkeiten. Ein erster Schritt seien rund 1,5 Prozent, die darauf aufgeschlagen werden könnten. Die Wirtschaftsleistung ließe sich dadurch korrekter darstellen.

Deutschland hängt Österreich ab

Empirisch ist der gemeinnützige Sektor nach wie vor ein vielfach unbeackertes Feld. In Summe jedoch, so viel lässt sich laut Donau-Uni ablesen, hinken die Österreicher den Deutschen beim Engagement fürs Gemeinwohl hinterher: In Österreich mache Gemeinnützigkeit rund drei, in Deutschland etwa vier Prozent des BIP aus. Ließe sich das Niveau auf das höhere heben, bringe das geschätzt drei Milliarden an zusätzlicher Wertschöpfung und 24.000 neue Jobs.

An welchen Schrauben gehört gedreht, um zivilgesellschaftliche Leistungen ohne Gewinnorientierung zu erhöhen? Subventionen seien, wie Haber dem STANDARD erläutert, wenig sinnvoll. Aus seiner Sicht braucht es u. a. bessere Rahmenbedingungen: für gemeinnützige Stiftungen etwa, aber auch für Mitarbeiter, die aufgrund von Einsätzen – zum Beispiel für die Freiwillige Feuerwehr – für ihre Arbeitgeber regelmäßig ausfielen.

Neun Minuten täglich

Das Gros der Freiwilligen stellt in Österreich die Gruppe der 40- bis 59-Jährigen. Täglich neun Minuten arbeiten sie im Schnitt unbezahlt für andere. Für die Haushaltsführung gehen im Vergleich dazu mehr als drei Stunden drauf, für Kinderbetreuung 35 Minuten. Statistisches Detail am Rande: Im Dienst der Gesellschaft sind Männer am Tag um zwei Minuten länger als Frauen. Dafür hinken sie bei Haushalt und Kindern um weit mehr als zwei Stunden hinterher.

Mehr als die Hälfte der Freiwilligenarbeit passiert ohne institutionelle Rahmen. Je höher das Einkommen, desto größer ist das Engagement. Gleiches gilt für den Grad der schulischen, akademischen Ausbildung. Insgesamt setzen sich Menschen in ländlichen Regionen mehr unentgeltlich für die Gesellschaft ein als Städter. (Verena Kainrath, 2.7.2015)