Ein Spalt grüner Hoffnung zwischen Blau und Rot: Eva Glawischnig ist bei ihrer Grundsatzrede im Garten des Magdas Hotels überzeugt, dass die Bevölkerung Politik mit Angst und Hetze ablehnt.

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Wien – Reden zur Lage der Nation zu halten hat sich Alois Mock 1981 angewöhnt – damals suchte er als ÖVP-Chef in der Opposition staatsmännisches Profil gegenüber dem Langzeitkanzler Bruno Kreisky zu gewinnen. Als staatstragend will sich auch Grünen-Chefin Eva Glawischnig profilieren, ihre "Erklärung zur Lage Österreichs" hielt sie am Donnerstag aber nicht, wie seinerzeit Mock, im Belvedere, sondern in Magdas Hotel am Rand des Praters. Das ist ein Projekt der Caritas, wo Touristen auf Flüchtlinge treffen, denen dort Arbeit und Fortbildung geboten werden.

Passt gut zum Thema der Rede. Glawischnig fokussiert auf das Asylthema. Der zentrale Satz fällt nach neun Minuten: "Der wichtigste Wert in der Politik ist Solidarität."

Heimat großer Herzen

Und die gebe es in der Flüchtlingspolitik eben nur bei den Grünen. Das ist auch Thema ihrer sommerlichen Plakatkampagne. "Heimat bist du großer Herzen" prangt ein Poster hinter der Parteichefin, auf einem anderen liest man "Liebe ist stärker als Angst" und auf einem dritten "Wir machen nicht blau".

Glawischnigs Rede ist weitgehend darauf aufgebaut, den scharfen Gegensatz zur größeren Oppositionspartei herauszuarbeiten. Und gleichzeitig die Regierung vorzuführen, besonders deren sozialdemokratischen Teil.

Lockung für enttäuschte Rote

Über Strecken klingt das, als würde eine enttäuschte Rote den Genossen in der SPÖ die Leviten lesen. Glawischnig erinnert an den Parteitagsbeschluss der SPÖ, auf keiner politischen Ebene mit den Freiheitlichen zu koalieren – und den Bruch dieses Versprechens durch Hans Niessl.

Den bezeichnet sie gleich als "Wahlhelfer der FPÖ", weil er "die FPÖ mit einer Regierungsbeteiligung adelt" und weil er "schon Vorschulkinder als integrationsunwillig erklärt, anstatt die Kleinsten zu fördern und zu unterstützen".

Wahlhelfer der FPÖ

In die Reihe der Wahlhelfer reiht sie aber auch die Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), "die Zelte aufstellen lässt, obwohl daneben Bundesgebäude leerstehen", und Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP), "der auf Grenzkontrollen setzt, anstatt auf die gute Wirtschaftspolitik hinzuweisen".

Beide Regierungsparteien fragt sie vor einem halben Dutzend Kameras und einer knappen Hundertschaft Parteifunktionäre: "Glauben Sie, dass Sie den Vertrauensverlust überwinden können, indem Sie FPÖ-Positionen übernehmen?"

Ein Stück des Weges – wie bei Kreisky 1970

Das sei unmöglich, ist sie überzeugt. Und sie macht ein Angebot: "Mit uns ein Stück des Weges zu gehen und gemeinsam für eine positive, menschliche Entwicklung unseres Landes einzutreten." Das könnte von Kreisky sein. Ist es auch. Ein staatstragender Ansatz im Flüchtlingshotel. (Conrad Seidl, 2.7.2015)