Wien – Der neue SPÖ-Bundesgeschäftsführer Gerhard Schmid will nichts von einer Führungsdebatte in seiner Partei wissen. Bei seinen bisherigen Gesprächen habe er nicht den "leisesten Hinweis bekommen, dass eine Personaldebatte ansteht oder gewünscht wäre". Wie er sich die nicht verstummenden Gerüchte über einen Abgang Werner Faymanns erklärt, was er vom Rückzug Hans Niessls aus der Bildungsreformgruppe hält und wie er mit der innerparteilichen Reformgruppe "Kompass" umgehen will, verrät er im STANDARD-Interview.

STANDARD: Es gab vor 15 Jahren einen Bundesgeschäftsführer, der dann relativ bald SPÖ-Chef und später Kanzler wurde – Alfred Gusenbauer. Ein Vorbild für Sie?

Schmid: Ich übernehme die Funktion des Bundesgeschäftsführers mit großer Freude, habe aber darüber hinaus keine weiteren Karrierepläne.

STANDARD: Wie lange haben Sie überlegt, als das Angebot von Werner Faymann kam?

Schmid: Eine Nacht und einen Morgen. In der jetzigen Situation, wo es so viele Herausforderungen gibt, ist es wichtig, so eine Funktion anzunehmen.

Am Wuzeltisch greift Gerhard Schmid selbstverständlich zu Rot – vor allem, wenn es gegen Blau geht.
Foto: Hendrich

STANDARD: Haben Sie schon Ihre Antrittsbesuche bei den Landesparteichefs hinter sich? Haben Sie das Gefühl, dass alle hinter dem Kurs von Faymann stehen?

Schmid: Ich habe mit allen Landesparteivorsitzenden telefoniert, auch Gespräche mit den Freunden aus der Jugend, der Gewerkschaft und den Pensionisten geführt. Ich habe bei keinem einzigen Gespräch auch nur den leisesten Hinweis bekommen, dass eine Personaldebatte ansteht oder gewünscht wäre.

STANDARD: Wie erklären Sie sich dann, dass die Gerüchte, der Kanzler könnte abgelöst werden, nicht verstummen wollen? Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser sagte im STANDARD-Interview, er könne nicht ausschließen, dass Michael Häupl das betreibe.

Schmid: Peter Kaiser hat klargestellt, dass es keine Personaldebatte gibt. Generell sind die Bedingungen für die Politik im Moment nicht nur in Österreich schwierig, sondern international. Da haben es Populisten leichter. In so einer Phase gibt es immer den einen oder anderen, der nicht zufrieden ist. Aber Führungsdiskussionen braucht niemand, und das hat auch der Wiener Bürgermeister mehrfach gesagt.

STANDARD: Stichwort Populisten: So richtig losgegangen ist die SPÖ-interne Debatte nach Rot-Blau im Burgenland. Hätte man aus heutiger Sicht etwas anders machen können?

Schmid: Die Frage, wie die Landesparteien ihre Entscheidungen treffen, ist deren Sache. Das war immer die Spielregel in der SPÖ. Es wird sich kein Landeshauptmann von der Bundespartei etwas dreinreden lassen. Die burgenländische SPÖ hat ihren Weg bereits vor der Landtagswahl skizziert, sie haben das ausdiskutiert und dann ihre Entscheidung getroffen. Natürlich gibt es viele, die damit nicht zufrieden sind, deshalb werden wir auch das Gespräch mit unseren burgenländischen Freunden suchen.

Ein Autoritätsproblem sieht der neue Bundesgeschäftsführer bei Kanzler Werner Faymann nicht. Kein Landeshauptmann lasse sich etwas dreinreden.
Foto: Hendrich

STANDARD: Aber zeigt Rot-Blau nicht auch, dass Faymann keine Autorität genießt? Ein Parteichef Vranitzky konnte so etwas in den Ländern noch verhindern.

Schmid: Sicher nicht. Blicken Sie doch nur kurz in die Vergangenheit. Schon bis weit in die Zeit von Bruno Kreisky zurück war es so, dass Länder autonom entschieden haben. Der Parteivorsitzende greift in so eine Entscheidung nicht aus Wien ein, das würde sich auch niemand gefallen lassen. Das hat nichts mit Werner Faymann zu tun, das wäre bei jedem anderen Parteichef auch so.

STANDARD: Hans Niessl hat die Partei mit seiner Kehrtwende bei der Schulreform schon wieder unter Druck gesetzt. Er hält die Verhandlungen, die von einer SPÖ-Ministerin geleitet werden, für gescheitert. Grenzt das nicht allmählich an parteischädigendes Verhalten?

Schmid: Das Thema Schulorganisation ist ein ausgesprochen sensibles. Wir reden von Strukturen, die an die 100 Jahre alt sind. Jetzt geht es darum, diese Strukturen zu verschlanken und Transparenz zu schaffen. Dass in diesem Prozess die Verhandlungen mal ein Up und ein Down haben, ist zwar nicht wünschenswert, aber normal. Daher würde ich dem überhaupt keine Dramatik beimessen. Die Tatsache, dass Michael Häupl statt Niessl in diese Arbeitsgruppe geht, zeigt, wie wichtig das Thema der SPÖ ist.

STANDARD: Aber ist das Thema nicht trotzdem tot, wenn zwei mächtige Landeshauptleute – Erwin Pröll auf ÖVP-Seite und Hans Niessl auf SPÖ-Seite – aufstehen?

Schmid: Aufstehen und gehen ist grundsätzlich nicht das beste Rezept in der Politik, egal um wen es geht. Aber ich würde es auch nicht dramatisieren. Es gibt einen Verhandlungsprozess, der hart und zäh wird, wenn wir zu einem Ergebnis kommen wollen. Ich bin aber überzeugt, dass es gute Fortschritte geben wird.

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Hans Niessl (links) und Erwin Pröll (Mitte) wollen nichts mehr mit der Schulreform zu tun haben. Michael Häupl springt nun ein.
Foto: APA/HANS KLAUS TECHT

STANDARD: Sie haben nicht das Gefühl, dass Niessl und Pröll die Verhandlungen bewusst sabotieren?

Schmid: Natürlich gibt es da und dort Landeshauptleute, die gewisse Signale der Macht setzen und die eine oder andere strategische Überlegung damit verbinden. Aber ich gehe davon aus, dass alle schlussendlich daran interessiert sind, den Verhandlungsprozess fortzusetzen.

STANDARD: Wird der Ton in der SPÖ generell rauer? Die selbsternannte Reformgruppe "Kompass" übt sehr pointiert Kritik, Ihr neuer Kommunikationschef wiederum greift diese Gruppe an.

Schmid: Niemand greift diese Gruppe an. Im Gegenteil, ich selbst war bei deren Eröffnungstreffen. Wir sind eine breite und vielschichtige Partei, in der es immer auch emotionale inhaltliche Beiträge gibt. Diese Beiträge hören wir, und wir diskutieren darüber. Ich sehe nicht eine Krise der SPÖ, sondern eine Krise der Politik, die auch im internationalen Zusammenhang steht. Es gibt berechtigt viele Sorgen und Ängste – und die müssen wir ernst nehmen.

STANDARD: Einige dieser Kritiker vermissen inhaltliche Konturen – etwa im Kampf gegen die hohe Arbeitslosigkeit, unter der viele leiden.

Schmid: Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit ist und bleibt unser sozialdemokratisches Kernthema. Wir hatten zum Beispiel gerade eine Diskussion mit dem bekannten Genetiker Josef Penninger, in der es darum ging, wie wir Spitzentechnologie fördern können. Da liegen die Arbeitsplätze der Zukunft und große Chancen für Österreich.

STANDARD: Haben Sie keine Angst, dass jene, die inhaltlich anderer Meinung sind, eine neue Linkspartei gründen, wie wir das in anderen Ländern sehen?

Schmid: Die SPÖ ist demokratisch, die SPÖ ist kritisch, und es wird bei uns immer viel diskutiert werden. Aber wir haben alle ein großes gemeinsames soziales Fundament, das uns zusammenhält. Wir werden das Gespräch, die Diskussion, die Auseinandersetzung im positivsten Sinn mit allen, die uns nahestehen, suchen. Am Ende werden Brücken gebaut und nicht abgerissen werden. (Günther Oswald, 3.7.2015)