Zeugnisverteilung vor dem Innenministerium: Datenschützer kritisieren fehlende Kontrollmechanismen im neuen Staatsschutzgesetz.

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Einen symbolischen "Fleck" gab es passend zum Schulschluss in Ostösterreich am Freitag für Innenministerin Johnanna Mikl-Leitner (ÖVP). Die Datenschutz-Initiative Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) stellte Mikl-Leitner im Rahmen einer Kundgebung vor dem Innenministerium ein "Nicht genügend" im Fach Staatsbürgerschaftskunde aus. Begründung des ausstellenden "Schulprofessors": Die Ministerin habe mit dem am Dienstag im Ministerrat beschlossenen Staatsschutzgesetz eine katastrophale schriftliche Arbeit abgegeben.

Die Datenschützer stört daran vor allem, dass sensible Ermittlungsschritte wie der Einsatz von Vetrauensleuten von einem Rechtsschutzbeauftragten kontrolliert werden und nicht von einem Richter. Das hatte Mikl-Leitner im Gesetzesentwurf verankert – entgegen vorherigen Zusagen.

Keine externe Kontrolle

AK-Vorrat-Geschäftsführer Thomas Lohninger kritisiert im Gespräch mit dem STANDARD das Fehlen eines externen Kontrollorgans: "Warum eine bestimmte Überwachungsmaßnahme notwendig ist, muss innerhalb des Innenministeriums weder schriftlich begründet werden, noch muss eine Verdachtsabhängigkeit bestehen."

Gemeint ist damit, dass in einer neu geschaffenen Analysedatenbank nicht nur sensible Daten über Verdächtige, sondern auch über deren soziales Umfeld gespeichert werden können. Durch die erweiterten Befugnisse könnten auch unbescholtene Bürger ins Visier der Ermittler geraten, befürchten die Datenschützer.

"Außerdem ist explizit vorgesehen, dass diese Angaben mit ausländischen Geheimdiensten wie NSA oder GCHQ geteilt werden", so Lohninger. Die fünfjährige Speicherfrist für Daten, die in die Analysedatenbank aufgenommen werden, sei unverhältnismäßig lang. Wenn neue Daten dazukommen, beginne die Frist überdies von Neuem.

Ablehnung von V-Leuten

Auch vom Einsatz von Vertrauensleuten halten die Kritiker nichts. Dieser gilt als problematisch, weil dabei auch Personen aus Milieus rekrutiert werden könnten, die im Verdacht stehen, verfassungsgefährdende Angriffe vorzubereiten. "Es gibt genügend internationale Beispiele, wie mittels V-Leuten Missbrauch betrieben wurde, etwa aus dem NSU-Prozess in Deutschland", sagt Lohninger. Nun begehe man dieselben Fehler auch in Österreich.

Insgesamt würden mit dem Staatsschutzgesetz bürgerliche Grundrechte ebenso missachtet wie Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs und des Verfassungsgerichtshofs, die zur Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung führten. Darin sei festgestellt worden, dass es eine Verhältnismäßigkeit zwischen Überwachung und Grundrechten geben muss.

"Kritik nicht berücksichtigt"

"Wir werden auch alle nicht sicherer mit diesen neuen, intransparenten Staatsschutzbehörden", meint Lohninger. Die breite Kritik von Oppositionsparteien über Gewerkschaft und Wirtschaftskammer bis hin zur Richterkammer werde nicht berücksichtigt, die Demokratie damit nicht ernst genommen.

Der Nationalrat beschäftigt sich voraussichtlich erst nach der Sommerpause mit dem Gesetz. Lohninger hofft auf Änderungen im parlamentarischen Prozess. Auch eine Petition gegen das Staatsschutzgesetz läuft weiter – rund 8.000 Unterschriften hat der AK Vorrat über die Seite staatsschutz.at bisher gesammelt. (Simon Moser, 3.7.2015)