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Die Spannung vor dem Referendum steigt. Am Sonntag Abend wissen wir und die Welt mehr.

Foto: Reuters/Christian Hartmann

Athen – Wenn das Referendum eine Hochschulwahl wäre, dann hätte Griechenlands Linksregierung ihren Sieg ganz sicher in der Tasche: 83 Prozent der Studenten lehnen, wie von Premier Alexis Tsipras gefordert, das Finanzabkommen von Eurogruppe, EZB und IWF ab. Das zumindest ergab eine der Untersuchungen, die noch kurz vor der Abstimmung veröffentlicht wurde.

Von sieben Uhr früh bis sieben Uhr am Abend sind am Sonntag die Wahllokale in Griechenland geöffnet. Ob die Griechen Ja oder Nein zu einem Angebot der Kreditgeber sagen, das weitere Steuererhöhungen und Einschnitte bei den Pensionen beinhaltete, wird sich vielleicht ein bis eineinhalb Stunden nach Schließung der Wahllokale ablesen lassen – gegen 19.30 Uhr oder 20 Uhr in Österreich.

Fehlerquote bei telefonischen Umfragen

Eine Reihe von Umfragen, die am Freitag veröffentlicht wurden, zeigten Befürworter und Gegner Kopf an Kopf, wobei es einen kleinen Vorsprung für das Ja gab. Wegen der Fehlerquote bei den telefonisch durchgeführten Umfragen lässt sich daraus aber kein sicheres Ergebnis ableiten. Ipsos errechnete 44,4 Prozent für Ja und 43 Prozent für Nein, Alco 44,8 (Ja) und 43,4 (Nein) sowie 11,8 Prozent für jene, die noch unentschieden waren; Public Issue kam auf 45,5 Prozent (Ja) und 45 Prozent (Nein).

Das Meinungsforschungsinstitut Public Issue, das diese Umfrage im Auftrag der linken, Syriza nahe stehenden Tageszeitung Avgi anstellte, schlüsselte seine Ergebnisse nach sozialen Gruppen auf. Dabei ergab sich, dass die mit Abstand größte Ablehnung des Kreditabkommens bei den Studenten ist: 83 Prozent dagegen, nur 13 Prozent dafür. Auch die Arbeitslosen sind auf Linie mit der Links-Rechts-Koalition von Tsipras; 51 Prozent sagen nein laut Public Issue, 26 Prozent Ja. Die Mehrheit der Angestellten im öffentlichen Dienst (58 Prozent) wie in der Privatwirtschaft (54 Prozent) sollen ebenfalls gegen das Kreditabkommen sein. Zustimmung gibt es dagegen bei den Beschäftigten in der griechischen Landwirtschaft (44 Prozent ja, 40 Prozent nein), bei den Unternehmern und Selbständigen (50 Prozent ja, 39 Prozent nein) und bei den Pensionisten.

55 Prozent der Pensionsten für Abkommen

Laut Public Issue würden 55 Prozent der Pensionisten das Kreditabkommen akzeptieren, das eine Erhöhung der Krankenkassenbeiträge vorsah und eine Abschaffung der Sozialhilfe für Bezieher kleinster Pensionen bis zu 460 Euro im Monat (sie könnte nach den Vorstellungen des IWF durch ein garantiertes Mindesteinkommen ersetzt werden, das allerdings noch unter der Grenze von 460 Euro liegen dürfte). 31 Prozent der Pensionisten würden das Abkommen ablehnen. Eine mögliche Erklärung: Viele griechische Pensionisten fühlen sich vergleichsweise sicherer mit der jetzigen Situation, selbst wenn die monatlichen Zahlungen etwas geringer würden.

Noch längere Verhandlungen mit den Gläubigern, ein vollständiger Staatsbankrott und Zusammenbruch der Wirtschaft erscheint einer Mehrheit der zwei Millionen Pensionisten in Griechenland vielleicht noch riskanter: Dann könnten auch der Staat und seine ohnehin schwer defizitären Pensionskassen am Ende nichts mehr zahlen. Einen Vorgeschmack darauf erlebten die Pensionisten schon diese Woche. Die Umfrage von Public wurde zwischen dem 30. Juni und 2. Juli gemacht, als sich Griechenlands Pensionisten vor den Banken anstellen mussten, um eine Rate von 120 Euro zu erhalten – mehr Geld gibt es derzeit nicht. (Markus Bernath aus Athen, 4.7.2015)