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Lauter und heftiger Rappelkopf: August Schmölzer in "Der Alpenkönig und der Menschenfeind".

Foto: APA / Robert Jäger

Reichenau an der Rax – Der Wiener Volkstheaterdichter Ferdinand Raimund schien aus gutem Grund ein wenig hoffnungsfroher Mensch zu sein. Seine Eltern starben früh, das Gymnasium wurde ihm verwehrt, die ersehnte Schauspielschule konnte er aufgrund eines Sprachfehlers nicht besuchen. Und nach ersten erkämpften Bühnenstationen (Ödenburg) führte ihn sein Weg wider Willen ins heitere Fach.

Dabei hätte er nichts mehr gewollt als die Tragödie. Immerhin schrieb der Mann mit dem Zauselhaar, der lange vom 50-Schilling-Schein blickte, niederschmetternde Briefe ("Die Umgebungen, mit denen ich zu leben gezwungen bin, werden täglich abscheulicher und mir verhasster"). Dieses Unbehagen konnte Raimund schließlich 1828 in seinem "romantisch-komischen Original-Zauberspiel" Der Alpenkönig und der Menschenfeind zum Ausdruck bringen. In Reichenau feierte die Posse der Selbsterkenntnis am Samstagabend Premiere, als patinierter Gruß aus dem Biedermeier.

Destruktive Launen eines unleidlichen Erdenbürgers

Herr von Rappelkopf terrorisiert seine Mitmenschen mit höchst destruktiven Launen. Daraufhin arrangiert die Märchenfigur des Alpenkönigs für den Miesepeter ein Rendezvous mit sich selbst. Im Körper eines anderen soll sich der unleidliche Erdenbürger selbst begegnen und dann sehen, wie ganz und gar schrecklich das ist.

Michael Gampes um diverse magische Naturschauspiele gekürzte Inszenierung im Theater Reichenau errichtet im Bühnenbild von Peter Loidolt einen nervösen paternalistischen Herrschaftshaushalt des 19. Jahrhunderts, in dem Familie wie Dienerschaft das unschöne Betragen ihres Chefs kaum mehr erdulden. Nicht nur mittels Couplets (von Wenzel Müller, eingerichtet von Helmut Stippich) machen sie sich Luft.

Ein Schattenbild des Alpenkönigs thront über dem Läuterungsprozess. Es ist der Silhouette Erzherzog Johanns nachempfunden, des Habsburgerhelden im Herzogtum Steiermark, der nicht nur in Gampe monarchistische Gefühle weckt, sondern dem auch die Grazer Straßenbahnen heute noch nachjodeln. Sascha Oskar Weis gibt ihn allzu bleiern.

Laut, grob, holzschnittartig

Davor schieben sich Fototapeten des Waldes und des häuslichen Biedermeier stillschweigend hin und her, während das Ensemble insbesondere stimmlich voll auf die Tube drückt: August Schmölzers rasende Deklamationen als Rappelkopf schlagen eine Lautstärke und Heftigkeit an, die viele andere Regungen in Grobheit hüllt. In heftige Bewegung geraten zudem diverse waden- oder bodenlange Kleider, etwa das züchtige seiner duldsamen Gattin (Emese Fay). Mit großen fragenden Augen wuselt "the next generation" herum: das fragile Glück von Tochter Malchen (Alina Fritsch) mit ihrem Malerkünstler (Florian Graf).

Holzschnittartig, aber doch lebendiger als so manch anderes in dieser überdurchschnittlich konservativen Inszenierung geriet das Duell der Bediensteten Habakuk (Nicolaus Hagg) und Lischen (Johanna Arrouas). Da lag immerhin Spannung drin. (Margarete Affenzeller, 5.7.2015)