Lyrikerin Nora Gomringer gewinnt den Bachmannpreis.

Foto: ORF/Johannes Puch

Ein "Geschäft der reizvollen Lügen und Gespinste" nennt Nora Gomringer das Feld der Literatur am Sonntagnachmittag. Soeben hat sie mit ihrem Text Recherche, der Darstellung eines "Gottesteilchens" (Juri Steiner) auf der Suche nach den Beweggründen eines jugendlichen Selbstmörders, den 39. Bachmannpreis gewonnen. "Wir müssen wahre Worte finden", heißt es bei der Namenspatronin des Wettlesens. Das hat die dunkel Gelockte ihrem Eingangsstatement zum Trotz eindeutig geschafft.

Nicht so klar, doch eigentlich egal ist, für welches Land sie das getan hat. Denn sich selbst bezeichnet die 1980 in Neunkirchen an der Saar Geborene als Schweizerin und Deutsche. Aufgewachsen jedenfalls ist sie mit sieben Brüdern. Vielleicht liegt darin ein Grund für den starken Drang, sich zu artikulieren: "Sie rezitiert, schreibt und liest preisgekrönt vor", liest man auf ihrer Homepage.

Angefangen hat die Tochter des Begründers der konkreten Poesie, Eugen Gomringer, aber als Poetry-Slammerin, ehe sie sich vor zehn Jahren auf die Organisation von Slams verlegte und ihre schreiberische Tätigkeit forcierte. Fünf Lyrikbände und eine Essaysammlung hat sie seit 2000 herausgebracht, daneben Texte für Radio und Feuilleton verfasst. Ausgangspunkt für all diese Arbeiten ("Ich arbeite schnell und kann Kraft auf Momente hin bündeln") ist ein seit 15 Jahren von ihr angehäuftes "kleines Magazin an Bizarrem und Schönem".

Zahlreiche Preise hat das dem PEN-Mitglied bisher eingebracht, auch Stellen als Poetikdozentin in Landau, Sheffield und Kiel. Die Beendigung einer 2007 begonnenen Dissertation steht angesichts ihrer Arbeit an Lyrikfilmen, Musik- und Wort-Programmen sowie der 2010 übernommenen Leitung des Internationalen Künstlerhauses Villa Concordia in Bamberg, wo sie heute lebt und von wo aus sie nach Klagenfurt angereist ist, allerdings noch aus.

Wie einen "Germanistenporno" hat die leidenschaftliche Cineastin den "irren Wettbewerb" bisher über die Medien verfolgt. Zu seiner Darstellerin gemacht hat sie schließlich Neojurorin Sandra Kegel. 2010 hatte Kegel sie bei einem Auftritt in Reykjavík entdeckt, nun hätte sie plötzlich bei ihr angerufen und nach einem Text gefragt. Der war – im zweiten Anlauf – kurz vor Ostern fertig. Der Rest ist TddL-Geschichte.

"De facto hab ich ein paar Menschen überzeugt mit einem Text und ein paar andere nicht", erklärt sie sich ihren Sieg. Sehr einfach. Und sehr sympathisch. (Michael Wurmitzer, 5. 7. 2015)