Bild nicht mehr verfügbar.

Moralische Instanz Professor Bernhardi (Joseph Lorenz).

Foto: APA/ROBERT JÄGER

Reichenau a. d. Rax – Der jüdische Arzt Professor Bernhardi wird im "Wien um 1900" ob einer beruflichen Lappalie Opfer antisemitischer Intrigen. Es folgen Haftstrafe sowie Berufsverbot. Aus diesem Plot eine Komödie zu erwecken, wie es Arthur Schnitzler vorgesehen hat, ist eine eigentümliche Herausforderung an die Regie.

Hermann Beil, der Professor Bernhardi in Reichenau inszeniert hat, versucht mit der Zuspielung des heiteren wie zünftigen Opernball-Line-Ups Stimmung zu machen. Aus den Walzer- und Polkarhythmen entwickelt das Ensemble einen Sprachtanz, in dem die Standpunkte zum Fall Bernhardi in edelstem Deutsch aufeinanderprallen. Das Reichenauer Schauspieler- und Literaturtheater mag im Feiern der Silben und (altösterreichischen) Sprachfärbungen, im Gestikulieren im historischen Kleid zweifellos zu brillieren. Zu Ungunsten aber eines lebendigen, heutigen Theaterbegriffs.

Die Premiere im Neuen Spielraum wirkte, als wäre man der Uraufführung (1912) auf der Spur gewesen. In der Arenabühne schwingen sich die Wortführer ihrer jeweiligen politischen Mission zu Pirouetten männlicher Deklamationskunst auf. Auf dem Klinikboden (Bühne: Peter Loidolt) ziehen sie ihre Bahnen zwischen Tischen und Stühlen, Lederfauteuils und Sekretären. Sie gebärden sich wie noble Herren um 1900. Man könnte also von einem versuchten Reenactment der Erstaufführung sprechen, die damals aus Zensurgründen in Berlin (1912) stattfand. Die Behörde fand die vor Augen geführten Verhältnisse politisch-klerikaler Verstrickungen nicht lustig.

Eher ein Hörspiel

Bernhardi (Joseph Lorenz) soll das heilige Sakrament der letzten Ölung boykottiert haben, da er einem Priester den Zutritt zu einer sterbenden Patientin verweigerte. Ihm aber ging es um das Wohl der Patientin, die ihre letzten Stunden nichts ahnend in Euphorie verbrachte. In seinem Eintreten für das ethisch richtige Handeln überstrahlt Bernhardi alle. Auch wenn Widersacher Doktor Ebenwald (herb: André Pohl) siegt, bleibt Bernhardi die moralische Instanz.

Für das subtil "Komödiantische" rundherum sorgen Peter Matic als genial glatter Minister, Thomas Kamper als ein mit allen ministeriellen Wassern gewaschener Hofrat Winkler, Florentin Groll als elegant-lockerer Dr. Cyprian oder Rainer Frieb als hektomatischer Bernhardi-Aktivist Dr. Pflugfelder. Das schwierige Konversationsstück hat in Beils Regie dennoch eher den Anforderungen eines Hörspiels entsprochen: charaktervolle Stimmen im szenischen Schlaf. (afze, 7.7.2015)