Bild nicht mehr verfügbar.

Hollande ist mental bereits im Wahlkampf.

Foto: APA / Ian Langschin

Bild nicht mehr verfügbar.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und ihr französischer Amtskollege François Hollande traten am Montagabend vor die Presse.

Foto: EPA/ETIENNE LAURENT

Die Spitzen Deutschlands und Frankreichs trafen sich am Montagabend in Paris, um ihre Standpunkte vor dem EU-Gipfel von Dienstag abzustimmen. Kanzlerin Angela Merkel und Präsident François Hollande erklärten im Elysée-Palast nach einer einstündigen Unterredung, sie respektierten den Willen der griechischen Wähler, die die Gläubigervorschläge am Sonntag an den Wahlurnen zurückgewiesen hatten.

"Die Tür bleibt offen", betonten beide Politiker an die Adresse Athens; es sei nun aber am griechischen Premierminister Alexis Tsipras, neue Verhandlungsvorschläge zu unterbreiten. Hollande verlangte, dass die Vorschläge "ernsthaft und glaubwürdig" sein müssten; Merkel verlangte zudem, dass sie "präzise" seien.

Lösung ist "dringlich"

Die beiden Politiker erhöhten den Druck auch insofern, als sie eine Lösung als "dringlich" bezeichneten. Die EU sei bereit, die interne Solidarität spielen zu lassen, fügte Hollande an; ebenso wichtig sei allerdings die Verantwortlichkeit aller Seiten. Merkel unterstrich darüber hinaus mehrfach die Bedeutung aller 18 übrigen Mitgliedstaaten der Eurozone. Mehrere kleinere Länder treten für ein härteres Vorgehen gegenüber Griechenland ein.

In Paris herrschte am Montag Skepsis, ob die Standpunkte der beteiligten Parteien überhaupt vereinbar sein könnten. Der französische Ökonom Elie Cohen erklärte im Anschluss an das Treffen von Merkel und Hollande, die griechischen Vorschläge im Bereich der Renten und der Mehrwertsteuer seien bekannt, gingen den übrigen Europäern aber zu wenig weit. Außerdem sei Athen schlicht nicht in der Lage, seine Schulden zurückzuzahlen.

Hollande zwischen Fronten

François Hollande sieht sich ohnehin in einer Zwickmühle. Nach außen steht er weiter zu seiner "Partnerin" Angela Merkel, wie es die deutsch-französische Freundschaft vorgibt. In Wahrheit käme er aber womöglich viel lieber Alexis Tsipras entgegen.

Das ist zwar insofern erstaunlich, als Paris durchaus Interesse hätte, gegenüber der Athener Regierung hart aufzutreten. Frankreich ist nach Deutschland der zweitgrößte Kreditgeber Griechenlands: Unter Einbezug der EZB-Targetsalden schuldet Athen den Franzosen mehr als 60 Milliarden Euro. Zugleich steht der französische Staat selbst massiv in der Kreide. Seine Schulden übersteigen 2000 Milliarden Euro und stellen bereits 97,5 Prozent des BIP dar; die Schwelle von 100 Prozent dürfte bald erreicht sein.

Doch diese Lage ist sicherlich mit ein Grund, warum in Paris prominente Stimmen für eine generöse Umschuldung Athens laut werden. Linken-Politiker Jean-Luc Mélenchon kommentierte den Sieg des "Ochi" (Nein) in Athen mit den Worten: "Jetzt müssen wir endlich ernsthaft darüber reden, dass die Staatsschulden in der EU gar nicht zurückbezahlt werden können."

Hollande, der mental bereits in der Präsidentschaftskampagne von 2017 steckt, kann und will sich der Stimmung im Land – und Aufrufen aus seiner eigenen Partei und der rechten Opposition – nicht verschließen. Aus diesem Grund kommt für ihn auch ein Grexit nicht infrage: Nach französischer Lesart würde dies die gesamte Eurozone in heftige Turbulenzen stürzen. Hollande wäre daher wohl bereit, auf einen Großteil der Griechenland-Guthaben zu verzichten, wenn Athen die Binnenwährung behielte und jede Kettenreaktion verhinderte.

Brechen hingegen die latenten Spannungen zwischen Berlin und Paris aus, kann Hollande damit leben und innenpolitisch sogar Kapital daraus schlagen – und Merkel stünde EU-weit isoliert da. (Stefan Brändle aus Paris, 6.7.2015)