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Immer mehr Griechen verkaufen auf den Straßen Athens Habseligkeiten wie Schuhe oder Sonnencreme, um an Bargeld zu kommen. Sie tun dies vor geschlossenen Geschäften.

Foto: Reuters/CHRISTIAN HARTMANN

Sie nennen sie die "Coco-Bank", weil es diesen erfolgreichen Kokosmatten-Fabrikanten im Land gibt: Coco-Mat. "Auf Natur schlafen" lautet dessen Werbespruch. Alles Bargeld, das in Griechenland zirkuliert und abends nach Geschäftsschluss irgendwo hinmuss, kommt unter die Matratze in die "Coco-Bank" zu Hause. Die ist nämlich immer offen. Aber dann sind die Kapitalkontrollen, die in Griechenland nun in die zweite Woche gehen, auch alles andere als lustig. "Jeder hat Schwierigkeiten, mit dieser Situation umzugehen", gibt Armordios Yannidis, Manager eines alteingesessenen Familienunternehmens in Piräus, das zu einer Industriegruppe wuchs, zu.

Griechenlands Wirtschaft ist seit dem ersten Quartal dieses Jahres offiziell wieder in der Rezession. Kapitalflucht und die gescheiterten Verhandlungen mit den Gläubigern des Landes haben die Wirtschaftsaktivität zusätzlich gedrosselt. Seit der Einführung von Kapitalverkehrskontrollen am 29. Juni dümpelt Griechenland nun dahin: "Wir können unsere Lieferanten im Inland nicht bedienen und nicht ins Ausland verkaufen. Andererseits aber ist die Nachfrage jetzt auch sehr niedrig", sagt Yannidis, Vizepräsident des Farbenherstellers Vitex, des Kernunternehmens der Yannidis-Gruppe. "Man kann nicht von jemandem, der sich jeden Tag eine halbe Stunde lang anstellt, um 60 Euro aus dem Automaten zu ziehen, erwarten, dass er anschließend in ein Geschäft geht und alles Mögliche kauft."

Massive Umsatzeinbrüche

Amordios Yannidis macht am Dienstag eine Tour durch einen der Heimwerkermärkte des Unternehmens. Um 85 Prozent ist der Umsatz gefallen, seit Alexis Tsipras in einer nächtlichen Ansprache an das Volk die Schließung der Banken verkündete. Ein unumgänglicher Schritt, erklärte der linke Premier den Bürgern.

Auf Zypern schlossen die Banken im Frühjahr 2013 – auf dem Höhepunkt der Finanzkrise – für zwei Wochen. Aber Zypern stand damals in einem Kredithilfsprogramm von EU, EZB und Internationalem Währungsfonds. "Wir jedoch haben das Programm bewusst verlassen. Das ist der große Unterschied bei diesen Kapitalkontrollen", sagt ein Manager einer anderen Firmengruppe in Athen, der nicht namentlich genannt werden will: "Das war eine kriminelle Entscheidung des Finanzministers, der nun ersetzt worden ist." Griechenland und seine Regierung haben keine Glaubwürdigkeit mehr, sagt der Unternehmervertreter. "Wir brauchten frisches Geld. Aber niemand schickt uns jetzt ein Flugzeug voll mit Banknoten. Das ist Fiktion."

Wenigstens drei der großen Unternehmen in Griechenland haben begonnen, ihre Angestellten teilweise mit Bargeld zu bezahlen, weil diese keinen vollen Zugriff mehr auf ihr Girokonto haben, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters. Darunter ist auch Kotsovolos, der größte Elektrowarenhändler des Landes. Die Firmen sind in der Regel verschwiegen und geben ungern ihre internen Regelungen angesichts der Kapitalkontrollen preis. "Natürlich diskutieren wir die Situation und werden unsere Entscheidungen treffen", sagt ein Manager der Mytilineos-Holding, einer der wichtigsten Industriegruppen des Landes. Mytilineos baut Kraftwerke und produziert Aluminium, aber überwiegend für ausländische Märkte. Die Beschränkungen des Kapitalverkehrs in Griechenland und bei Überweisungen ins Ausland berühren das operative Geschäft der Holding nur marginal. Sie hat eigene Ressourcen in ausländischen Banken. "Wir fühlen uns sehr gut geschützt", sagt der Manager angesichts der Unwägbarkeiten in Griechenland.

Erste Entlassungen

Das Auslandsgeschäft rettet auch die Yannidis-Familie über die Runden – wie schon in den vergangenen fünf Jahren der Finanzkrise. Das Unternehmen mit einem Jahresumsatz von zuletzt 33 Millionen Euro ist auch in Serbien, Rumänien und Bulgarien präsent. Die Lieferanten im Ausland lassen sich deshalb weiterhin über die dortigen Firmenkonten bezahlen. "Wir sind auf der sicheren Seite", sagt Yannidis. Andere Unternehmen aber sollen bereits mit Entlassungen begonnen haben. "Und jeder fürchtet sich vor einem Abschlag bei den Konteneinlagen", dem Haircut, den der Staat bei Privaten und Unternehmern durchführen könnte, um an Geld zu kommen. (Markus Bernath aus Athen, 8.7.2015)