Wien – Der Streit zwischen "Österreich" und Wiener Linien, ob sie neben "Heute" auch Zeitungsboxen anderer Blätter in den U-Bahn-Stationen zulassen müssen, geht in eine neue Runde. Der Oberste Gerichtshof hat das Verfahren an die erste Instanz zurückverwiesen. Sie muss den Markt präziser abgrenzen.

Rechtlich bestätigt, sagt Gugerbauer

Die rechtlichen Beurteilung, dass Wien und die Wiener Linien hier privatwirtschaftlich handeln – und damit wettbewerbsrelevant –, das habe der OGH bestätigt, sagt Mediengruppe-Österreich-Anwalt Norbert Gugerbauer auf STANDARD-Anfrage. Die Stadt Wien und die Wiener Linien hatten etwa argumentiert, dass die Vergabe von Stellflächen ein hoheitlicher Akt sei – und damit nicht dem Kartellrecht unterliege.

Die Wiener Linien haben bisher nicht zur Entscheidung des Obersten Gerichtshofs Stellung genommen.

Die Vorgeschichte

Das Oberlandesgericht Wien hat "Österreich" als Kartellgericht erster Instanz nach jahrelangem Verfahren in zentralen Punkten Recht gegeben: Die Wiener Linien müssen neben "Heute"- auch "Österreich"-Boxen innerhalb der U-Bahn-Haltestellen erlauben.

"Österreich"-Herausgeber Wolfgang Fellner sah damit bestätigt, dass die Wiener Linien "klar kartellrechtswidrig" gehandelt hätten, indem sie nur "Heute" Boxen in ihren Stationen erlaubten. Die Wiener Linien beriefen sich auf einen Vertrag mit "Heute" (davor hatte ihn der eingestellte Mediaprint-Vorgänger "U-Express"). Die Verkehrsbetriebe beriefen gegen die Entscheidung der ersten Kartell-Instanz.

Markt neu abgrenzen

Eine "Österreich"-Box, fern der U-Bahn.
Foto: fid


Das Oberlandesgericht muss nun noch einmal den relevanten Markt abgrenzen. Laut Gugerbauer sind laut OGH zwei Punkte zu berücksichtigen:

In den relevanten Markt des Gratiszeitungsvertriebs in und um Stationen öffentlicher Verkehrsmittel wären auch sogenannte "Leitern" einzubeziehen: Das sind Gestelle, auf denen mehrere Zeitungs-Entnahmetaschen hängen. Diese Leitern vermietet ein Dienstleister mit einer speziellen Sonderkonzession der Stadt Wien Medienunternehmen. Laut Gugerbauer nutzte die Mediengruppe Österreich diesen Vertriebsweg bis etwa vor einem Jahr. Inzwischen würden sie aber der "Krone" zur Verfügung gestellt.

"Kein Verhältnis"

Zweite Aufgabe für eine neue Marktabgrenzung: Handverteilung von Zeitungsexemplaren, etwa vor U-Bahn-Stationen. Die Frage laut Gugerbauer: Können solche Verteilaktionen quasi den Wettbewerbsvorteil von Entnahmeboxen in der Station ausgleichen. Der Anwalt der Mediengruppe Österreich: "Als breitflächiger Ersatz für Entnahmeboxen ist die Handverteilung ungeeignet." Er verweist auf die hohen laufenden Kosten für die Verteilung: "Das steht in keinem Verhältnis."

Erst die Wiener Wahl

Mediengruppe Österreich und Wiener Linien können in den nächsten Wochen zu der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs Stellung nehmen. Das Verfahren vor dem Oberlandesgericht dürfte im Herbst wieder anlaufen – und wohl vor der Wiener Wahl im Oktober eher nicht zu einer neuen Entscheidung kommen.

Schadenersatz-Forderung

Nach dem Erst-Entscheid hat Fellner angekündigt, "Österreich" werde den gesamten bisher entstandenen Schaden in einem eigenen zivilrechtlichen Verfahren gegen die Wiener Linien geltend machen. Intern rechnet man bei "Österreich" mit sechs- bis siebenstelligem Mehraufwand pro Jahr für Verteilaktionen, um einen Wettbewerbsnachteil der Boxenstandorte auszugleichen. "Österreich" wird auch weitab von Stationen öffentlicher Verkehrsmittel an großen Straßenkreuzungen verteilt. (red, 9.7.2015)