Heiß ging es her, als sich Ende der 1860er-Jahre Pierre Michaux und Louis-Guillaume Perraux unwissentlich ihren Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde sicherten. Sie bauten einen Vorläufer des Motorrades. Und weil es keine Konkurrenz gab, muss das 15 km/h schnelle Dampfrad wohl das schnellste der Welt gewesen sein. Mehr als 60 Kilogramm wog allein der Dampfantrieb, insgesamt brachte es die Fuhre auf fast 90 Kilogramm.

Foto: Musee de ille de france

Das drückte übrigens auch der Reitwagen, das erste Motorrad mit Verbrennungsmotor, auf die Waage. Mit 12 km/h Spitzengeschwindigkeit schrieben Daimler und Maybach dennoch Rekordgeschichte, eben auch, weil sie allein auf weiter Flur waren.

Foto: Daimler

1903 durchbrach Dominique Lamberjack im französischen Dourdan auf seiner Griffon V2 erstmals die 100-km/h-Schallmauer. 1907 fuhr Glenn Curtiss am Ormond Beach in Florida erstmals schneller als 200 km/h. Mit seiner 219,45 km/h schnellen Curtiss V8 pulverisierte er geradezu den Vorjahresrekord von Giosuè Giuppone auf einer Peugeot V2 – oder, was heute mehr Experten glauben, die Buben haben sich damals einfach wild vermessen.

Foto: Werk

1920 nimm sich die FIM, die Fédération Internationale de Motocyclisme, der Rekordmessung an und bestimmt, dass beim fliegenden Start, über eine Meile, Hin- und Rückfahrt zählen. Der erste so offiziell aufgestellte Rekord lag bei 167,670 km/h, gefahren von Ernest Walter auf einer Indian. Und weil die Rekorde über 200 km/h von 1924 und 1926, aufgestellt auf einer Henderson und einer Indian, über eine zu geringe Distanz oder nur in eine Richtung erfolgten, gelten sie bis heute für die FIM nicht.

Foto: Brough Superior

Zwischen 1920 und 1937 werden an die 20 Geschwindigkeitsrekorde für Motorräder aufgestellt. Brough Superior taucht immer wieder in den Listen auf, Zenith-J.A.P. und BMW. Letztere halten mit ihrer 500er Kompressor auch den Rekord, als der Zweite Weltkrieg ausbricht und die Jagd nach den Geschwindigkeitsrekorden für längere Zeit aufhört. Fast 280 km/h schnell war Ernst Jakob Henne, als er seinen Rekord 1937 auf der deutschen Autobahn zwischen Frankfurt und Darmstadt aufstellte.

Foto: BMW

Erst in den 1950er-Jahren beginnen wieder die Rekordfahrten. Zum Land der Geschwindigkeit wird der Bonneville-Salzsee in Utah. Ab 1949 findet hier jedes Jahr im August, wenn die Salzwüste komplett ausgetrocknet ist, die Speed-Week statt. Mit 338,092 km/h setzt die NSU Delphin III hier am 4. August 1956 den ersten Rekord mit einer Spitzengeschwindigkeit von mehr als 300 km/h. Zwei Tage später ist Johnny Allen auf der Triumph Streamliner um fast sieben km/h schneller. Aber die Zeitaufzeichnungen entsprechen nicht den von der FIM ausgegeben Standards, und nur die AMA, die American Motorcycle Association, erkennt den Rekord an.

Foto: Triumph

"Triumph kann", wenn es um das Aufstellen von Geschwindigkeitsrekorden geht, "auf eine lange Tradition zurückblicken: Von 1955 bis 1970 hielt der Motorradhersteller den Titel ‚Schnellstes Motorrad der Welt‘ – mit Ausnahme einer kurzen 33-tägigen Unterbrechung", erzählen die Briten in einer aktuellen Presseaussendung von sich in der dritten Person. "Die Rekord-Stromlinienfahrzeuge von Triumph aus dieser Zeit hießen Devil‘s Arrow, Texas Cee-gar, Dudek Streamliner und Gyronaut." 1970 schnappt sich Yamaha für einen Monat den Geschwindigkeitsrekord, bevor Cal Rayborn mit der Harley-Davidson Streamliner 427,250 km/h fährt und das Zepter übernimmt.

Foto: Triumph

Heute liegt der Geschwindigkeitsrekord für Motorräder bei 605,698 km/h, aufgestellt 2010 von Rocky Robinson auf der Top Oil Ack Attack, die von zwei Suzuki-Motoren mit 2,6 Liter Hubraum angetrieben wird. Triumph taugt das natürlich gar nicht, dass sie jetzt auf eine ruhmreiche Geschichte zurückblickt. Die Briten schreiben eine solche lieber. Darum kehren sie heuer nach Bonneville zurück, um einen neuen Rekord aufzustellen.

Foto: Ack-Attack

Guy Martin wird die 2015er-Triumph Rocket Streamliner fahren. "Sie besitzt ein Monocoque aus einer Karbon-Kevlar-Mischung. Für den Antrieb sorgen zwei turbogeladene Triumph-Motoren aus dem Modell Rocket III, die zusammen eine Leistung von zirka 1.000 PS bei einer Drehzahl von 9.000 erreichen. Das Motorrad ist rund 7,80 Meter lang, 60 Zentimeter breit und hat eine Höhe von 91 Zentimetern. Es wird mit Methanol als Treibstoff betrieben und tritt in der Weltrekordkategorie "Division C" für stromlinienförmige Motorräder an", fasst Triumph die technischen Daten knapp zusammen. Ende August wissen wir mehr. (Guido Gluschitsch, 13.7.2015)

Foto: Triumph