Bei der Arbeit: Das Duo Lucy.D, das sind Barbara Ambrosz (re.) und Karin Santorso.

Foto: Georg Schnellnberger

Die Trinkschale "Liquid Skin" schaffte es in so manche Museumssammlung.

Foto: Günter Melzer

Den "Pulse Chair" entwarf das Duo für Wiesner-Hager.

Foto: Christoph Zachl

Schluss mit Marzipanpüppchen und Sahnehäubchen. Als Lucy.D vergangenen Herbst neue Torten für das Café Landtmann entwarfen, flog derlei Zuckergeschnörksel hochkant aus der Backstube. Barbara Ambrosz und Karin Santorso verpassten der "Landtmann-Kollektion" ein komplettes Lifting. Ihre Esterhazytorte, die Sachertorte und andere Klassiker kommen nun unter anderem als zuckersüße und bunte Spielklötze daher. Bauhaus trifft Lollipop, und das im traditionellen Kaffeehausklassiker, wo man diese Torten für Geburtstage, Hochzeiten oder andere große Tage ordern kann, ehe sie verputzt werden. Dass die Süßwaren verdammt gut aussehen, weiß auch die Lifestyle-Bibel Wallpaper, die 2015 den Patissier-Highlights einen ihrer begehrten Awards widmete.

Die Torten für die "Landtmann-Kollektion" erinnern mehr an Bauhaus denn an Marzipanschnörkel.
Foto: Lobmeyr

Es muss also nicht immer nur Tisch, Stuhl oder Bett sein, um in der Designszene Meter machen zu können. Lucy.D bereiten der großen Spielwiese Design auch einiges anderes an Zuwachs. Am bekanntesten ist der Entwurf "Liquid Skin", eine Trinkschale, die von J. & L. Lobmeyr produziert wird und die es in so manche Museumssammlung, darunter auch in jene des Museum of Modern Art in New York, schaffte. Der Idee zur Form liegt eine fast archaisch wirkende Geste zugrunde: das Aneinanderlegen zweier Hände, der Versuch, aus ihnen eine Schale zu bilden, um damit Wasser zu schöpfen. Sinnlich, oder?

Prinzessin auf der Erbse

Überhaupt sind es gern Gesten, Liedzeilen oder Bilder, die am Anfang eines Projekts der beiden Designerinnen stehen. Zu ihrer Hängematte "Lucy", die mit dem oberen Ende an einem Baum befestigt wird, am anderen jedoch über ein Sitzgestell verfügt, inspirierte sie der Song Lucy in the Sky with Diamonds. "Teó" ist ein Zwitterwesen aus Löffel und Gerät zum Ausdrücken eines heißen Teebeutels, das die beiden für Alessi entwarfen, "Princess on the Pea" kommt als Pouf daher. Das Kleinmöbel aus drei Polstern hat sein Aussehen dem gleichnamigen Märchen zu verdanken.

Allen gemeinsam ist eine sinnliche, schlichte und grafische Formensprache. Und noch etwas: "Wir verlieben uns in ein Projekt hinein", erklärt Barbara Ambrosz und meint weiter, "wenn wir beide genug verliebt sind, ist es letztendlich egal, ob wir ein Baumhaus, einen Sessel oder einen multimedialen Museumsführer entwerfen." Das Tolle an Design sei die unglaubliche Vielfalt, sich entfalten zu können. Dazu gehöre es, sich sehr intensiv mit seinem Selbst auseinanderzusetzen, Sensibilitäten zu entdecken, sagt Santorso und ergänzt: "Ich mein’, mach mal Tortendesign! Im ersten Moment dachte ich mir, was soll das denn? Erst mit der Zeit kam der Spirit für eine Message. Das kann man sich wie ein Puzzle vorstellen."

Schmetterlinge im Bauch allein – davon liest man immer wieder – reichen allerdings nicht aus fürs große Glück. "Dazu gehört auch unbedingt der richtige Partner, der mit einem das Projekt durchziehen will. Mit ihm steht und fällt alles. Design ist ein unglaublich facettenreicher Beruf. Die Kreativität ist das eine, es geht aber auch um Marketing, Grafik, Materialkunde, Akquirierung, Produktion. Nehmen Sie allein den technischen Aspekt bei unseren Torten her. Da geht es um Schneiden per Wasserstrahl, das Gießen in Silikonformen, Airbrush-Technik et cetera. Das alles ist unglaublich inspirierend. Und noch einmal, ohne das passende Unternehmen geht nichts", erklärt Karin Santorso. Im Fall von Lucy.D sind diese Partner unter anderen Augarten, Backhausen, die Wombat-Hostels in Wien, München und Budapest und der Büromöbelhersteller Wiesner-Hager, für den die Designerinnen unter anderem ein modulares Konferenztischsystem ausbaldowerten. In dessen Mitte gibt es Platz für Getränke, Snacks und allerlei Utensilien, aber auch für eine ganze Pflanzenlandschaft.

Fernbeziehung

Lucy.D ist eines von zahlreichen weiblichen heimischen Designduos, dabei führen die beiden seit längerem eine Art Designerfernbeziehung. Barbara Ambrosz lebt in Oberösterreich, mit zwei Kindern und verehelicht. "Mein Mann ist DJ und Bauer", erzählt sie nicht unstolz. Kennengelernt hat sie ihn als DJ, sagt sie weiter. Karin Santorso lebt mit ihrer Familie in der Wiener Josefstadt. Problem für die gemeinsame Arbeit ergebe sich dadurch keines. "In Online-Zeiten funktioniert das wunderbar, außerdem setzt sich Barbara mindestens einmal pro Woche ins Auto und fährt nach Wien. Und wenn wir mehr Platz brauchen, fahr’ ich zu ihr auf den Bauernhof. Wir sind das gewöhnt, denn früher lebte ich in Mailand", erzählt Santorso. Dass die zwei Entwerferinnen, die einander während des Studiums an der Wiener Universität für angewandte Kunst kennengelernt haben und 2003 ihr Studio eröffneten, gemeinsam arbeiten, betrachten sie als großen Vorteil. "Wir sehen das als Ergänzung von Fähigkeiten und Potenzialen. Wir denken, wenn zwei Köpfe über etwas brüten, wird das Ergebnis in gewisser Weise gültiger. Wir verfügen außerdem mittlerweile auch über das Feeling, ob etwas passt oder nicht. Design besteht in erster Linie darin, eine ganze Menge Fragen zu stellen. Zu zweit findet man auf effizientere Weise zu den Antworten. Außerdem ist es allein viel langweiliger." (Michael Hausenblas, Rondo, Open Haus)