Ein ganzes Königreich hält sie unter ihrer Knute, die Rote Königin – allerdings nur in Alices Wunderland.

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"Jetzt ist aber dann mal genug." – Das ist zwar ein Klassiker, doch in letzter Zeit predigt man in immer geringeren zeitlichen Abständen das richtige Maß an Feminismus und Genderpolitik, wo das Maß schon längst voll sei, und skandalisiert eine längst eingetretene strukturelle Diskriminierung von Männern. Es reiche nun langsam mit der überspannten Kritik an der bestehenden Geschlechterordnung und waghalsigen Ideen für eine neue, die an jeder Ecke zu lauern scheinen.

Und es ist sogar ein bisschen was dran: Die Kritik scheint in der Tat lauter geworden zu sein. Über soziale Medien schaffen es radikalere Positionen vor ein größeres Publikum, Celebrities wie Caitlyn Jenner zelebrieren ihre Transidentität öffentlich, andere hängen sich Feminismus stolz als politisches Label um, und auch Kritik an Sexismus über soziale Medien ist in der Tat keiner Seltenheit mehr.

Alles noch dort, wo es war

Da kommt fast schon ein bisschen Mitgefühl für Fortschrittsgeplagte auf. Aber nur fast, denn das echte Leben, die realen Verhältnisse, haben mit dem vielgefürchteten "Genderwahn" herzlich wenig zu tun. Die sind nämlich – insbesondere in Österreich – mehr als traditionell. Die am Dienstag präsentierte OECD-Studie (DER STANDARD berichtete) zeigt das deutlich: Frauen verdienen weniger, arbeiten weitaus öfter unbezahlt und/oder in Teilzeit, kümmern sich um Kinder oder Kranke, der Haushalt ist auch ihre Sache.

Wir kennen das alles in- und auswendig. Und ebenso die dazugehörigen Argumente, wir könnten uns doch bitte in Zeiten gesetzlicher Gleichstellung völlig autonom und autark für ein Lebensmodell entscheiden. Anderes formuliert: selber schuld also. Wenn das tatsächlich so wäre, müsste nur noch das Rätsel gelöst werden, warum sich dann diese "frei gewählten" Modelle derart ident aneinanderreihen.

Die Sozialwissenschaft bringt schon lange Licht ins Dunkel. Doch diese Analysen werden im Zuge der derzeit so beliebten Genderverschwörungstheorien ausgeblendet. Stattdessen zeigt man sich von der lauten Kritik genervt und scheint nicht zu bemerken, dass man hier Äpfel mit Birnen verwechselt: Wenn genderspezifische Themen lauter und kontinuierlicher verhandelt werden, heißt das nicht, dass die realen Gegebenheiten nicht mehr im Argen liegen. Denn das tun sie noch gewaltig.

Das Zeitalter des Matriarchats

Die Verwechslung von Debatte und Realität passiert gern Menschen, die sich in privilegierten Positionen befinden, in denen das Argument der "freien Wahl" vielleicht noch am ehesten plausibel ist. Sie verkünden dann vollmundig, dass der Zenit längst erreicht ist und das Zeitalter des Matriarchats spätestens morgen anbricht. Was für eine Übertreibung. Jetzt ist aber dann wirklich mal genug. (Beate Hausbichler, 17.7.2015)