Ein Kind lässt einen Drachen steigen, ein paar Schritte weiter geht ein Vater mit seinem Sohn spazieren. In einer sanften Brise wogende Bäume spenden ihnen an diesem sonnigen Tag Schatten. Was für ein Bild. Es hat nur einen Schönheitsfehler: Es handelt sich dabei nicht um ein Abbild der Realität, sondern um ein Rendering. Es wurde angefertigt, um eine architektonische Vision zu verkaufen.

Im Bild: Quartier Belvedere Central

Visualisierung: Zoom vp

Eine Wohnung zum Beispiel, die es noch gar nicht gibt. Heute ist aber noch viel mehr möglich, als lediglich ein schönes Bild zu produzieren: Komplett digitale Videos zu Topwohnungen zum Beispiel, wo das gesamte Objekt erst aus einer schwindelerregenden Vogelperspektive gezeigt – und der Interessent dann durch die einzelnen Wohnungen geführt wird. So kann man sich beispielsweise auch davon überzeugen, ob der Ausblick in der Realität halten wird, was die Verkaufsbroschüre verspricht.

"So etwas wird produziert, um ein Flair und eine emotionale Komponente zu transportieren", erklärt Martin Gleiss, einer der Geschäftsführer von Zoom Visual Project. Das Wiener Unternehmen hat sich vor fast 20 Jahren darauf spezialisiert, Visualisierungen für Kunden wie Architekturbüros, Projektentwickler und öffentliche Stellen anzufertigen.

Visualisierung: Zoom vp

"Je wichtiger die Aufgabe ist, umso wichtiger ist die Präsentation", erklärt Gleiss, warum selbst Architekten diese Aufgabe auslagern. Und schränkt ein: "Architektenjurys lassen sich von pompösen Bildern, in denen man vor lauter Hunden und Bäumen fast nichts mehr sieht, aber nicht mehr so beeindrucken." Andere dafür umso mehr: Die Videos, die zeigen, was noch nicht ist, kommen zum Beispiel in der Anrainerkommunikation zum Einsatz, etwa beim Krankenhaus Nord.

Vieles hat sich verändert in den letzten Jahren: "Ein 3-D-Bild hat früher gereicht, um die Leute davon zu überzeugen, wie das einmal aussehen wird", sagt Gleiss. Heute spielen aber auch Aspekte wie Materialität, Spiegelung, Glasreflexionen eine Rolle. "Ein sehr gutes Rendering kann man heute kaum noch von einem Foto unterscheiden", sagt der Experte, selbst ein Architekt.

Im Bild: Krankenhaus Nord

Visualisierung: Zoom vp

Er zeigt die Visualisierung einer Luxuswohnung, für die sogar Teppich-, Sofa- und Vorhangstoffe eingescannt wurden, um Muster und Textur bestmöglich zu zeigen. Was die Inneneinrichtung angeht, so hätten die Visualisierer oft freie Hand – solange es dann am Ende den Kunden gefällt: Am Kaffeetisch steht ein aufgeklappter Laptop, daneben liegen die Zeitungen. "Es gibt dann schon Kunden, die das genauso umsetzen wollen", berichtet Gleiss. "Manchmal werden wir dann gefragt, woher der Tisch ist, den wir ins Wohnzimmer gestellt haben."

Für das Rendering wird ein 3-D-Datenmodell erstellt, dann die beste Perspektive ausgesucht. Schließlich wird das 3-D-Modell mit einer Texturierung ausgestattet und in eine Umgebung gebaut, die entweder digital kreiert wird oder eine Fotomontage ist. Am Ende werden Menschen hineingesetzt– also zum Beispiel das Kind, das seinen Drachen steigen lässt. Eine Woche dauert das alles, schätzt Gleiss.

Visualisierung: Zoom vp

Wer die überaus glücklichen Menschen auf den Renderings sind? Viele kommen aus Gleiss' eigenem Bildarchiv, für das bei Auslandsaufenthalten immer wieder Menschenmengen abgelichtet werden. Andere kommen aus dem Internet. Der Unterschied sei aber bemerkbar, sagt Gleiss: "Die Menschen von der Straße wirken authentischer."

Im Bild: Quartier Belvedere Central

Visualisierung: Zoom vp

Für Architekten erfüllen die Menschen oft den Zweck, Größenverhältnisse aufzuzeigen. "Aber je mehr man etwas auf der emotionalen Ebene verkaufen will, desto mehr drängen sich die Leute in den Vordergrund", sagt Gleiss. Mitunter werde die Vision aber etwas übertrieben: "Ich stelle mir dann manchmal vor, wie das dann wirklich ausschauen würde – so vollgepflastert mit glücklichen Menschen." Die Realität schaut aber ohnehin meist anders aus: "Wenn man zum Beispiel durch den Nordbahnhof geht, dann sieht das ganz anders aus als zuvor in den Renderings."

Diese stark idealisierte Darstellung wird immer wieder kritisch hinterfragt: "Der Beruf des Architekten photoshopt sich in eine kunstvolle Ecke", urteilte etwa der New Yorker Architekt Belmont Freeman vor zwei Jahren in einem Artikel. Das digitale Image selbst sei keine Architektur – auch wenn es im Architekturstudium immer mehr um diese schönen Visualisierungen gehe.

Im Bild: das Parlament

Visualisierung: Zoom vp

Noch etwas unterscheidet Renderings von der Realität: Das Wetter ist immer schön. "Das ist wie in einem Urlaubsprospekt", sagt Gleiss. "Das verkauft sich besser." Bei Projekten, die man nicht mehr groß verkaufen müsse, würde aber auch ein Dämmer- und Nachthimmel gewählt: "Da kann man das Gebäude dann sehr gut präsentieren."

Wieviel das alles kostet, wird nicht verraten: "Aber wir haben aber auch in Österreich mit der Globalisierung zu kämpfen." Denn die preisgünstige Visualisierungs-Konkurrenz aus Ländern wie China, Polen und Ungarn sei groß.

Im Bild: der Erste Campus

Visualisierung: Zoom vp

Auch für ein kleineres Wohnprojekt würde sich eine teure Visualisierung auszahlen, meint Gleiss: "Ich finde es schade, dass man wahnsinnig viel Geld in die Hand nehmen muss, um eine Wohnung zu kaufen – und das einzige, was der Makler dann schicken kann, ein Grundriss ist."

Probleme, die den glücklichen Menschen in Renderings wohl fremd sind. (Franziska Zoidl, 24.7.2015)

Visualisierung: Zoom vp