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Wer auf Fink hört, wird gefördert und gefordert. Man könne junge Spieler "nicht immer nur fördern, fördern, fördern", sagt der Deutsche.

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Die Bayern-Größe Thorsten Fink umgeben von den Bayern-Größen Stefan Effenberg (links), Giovane Elber und Trainer Ottmar Hitzfeld.

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Standard: Wen hat sich die Austria in Thorsten Fink eingekauft?

Fink: Einen Teamworker, einen Visionär, sicherlich jemanden, der offensiven Fußball pflegt, der viele Dinge entwickeln und eigentlich immer langfristig arbeiten will. Ich bin ja kein Feuerwehrmann. Das will ich nicht sein. Ich will jemand sein, der konzeptionell arbeitet, den Verein weiterbringt wie schon beim FC Basel.

Standard: Was stimmt Sie für das Gelingen in Wien zuversichtlich?

Fink: Hier geht das gut, weil Sportdirektor Franz Wohlfahrt jemand ist, der mit mir einfach spricht, und nicht jemand ist, der Spielchen spielt, wie der eine oder andere, der seine eigenen Leute forcieren will, nur seine eigene Sache im Auge hat. Wohlfahrt denkt nur für den Verein, aber er vertraut auch dem Trainer und gesteht ihm einiges zu, wie etwa jetzt einem Videoanalysten, der top ist auf dem Markt, der dem Verein Nachhaltigkeit gibt, weil er Dinge danach hierlässt. Kai-Norman Schulz ist so einer, einer der ganz Großen auf dem Gebiet.

Standard: Ab wann können Sie sagen, dass die Austria Ihre Mannschaft ist?

Fink: Das ist ein Prozess, das kann länger dauern. Automatismen, sagt man, dauern etwa drei Monate. Natürlich hat die Mannschaft schon ein Gesicht, aber Laufwege, Pressing, das muss halt einfach in die Köpfe eingehämmert werden. Ich habe aber bei dieser Mannschaft nicht die Probleme, dass man sagen müsste, es dauert sehr lange. Ich glaube, dass alle hier sehr schnell kapieren, dass sie fleißig sind, dass sie wollen. Von daher kann es auch schneller gehen. Aber wenn man langfristig arbeiten will, braucht man manchmal auch länger.

Standard: Was ist kurzfristig zu erwarten?

Fink: Das ist mein Team, aber dass es eine richtige Handschrift hat, eine richtige, das dauert halt ein bisschen. Wenn wir einmal ganz oben mitspielen wollen, dann brauchen wir schon ein, zwei Jahre. In diesem Jahr muss man realistisch sein, darf nicht zu euphorisch sein. Wir können nicht von Platz sieben auf Platz eins kommen, wenn wir acht oder neun Spieler neu integrieren müssen und neun abgegeben haben. Da verlieren wir schon am Anfang ein paar Spiele, aber das pendelt sich ein. Das wäre schon ein gutes Ziel. Nicht überheblich sein, aber auch nicht untertreiben.

Standard: Ist es ein Vorteil, dass die Austria in dieser Saison nicht Europacup spielt?

Fink: Für den Verein wäre es gut, wenn wir europäisch spielen könnten. Aber für die langfristige Planung ist es besser so. Wir können die Mannschaft von Woche zu Woche top vorbereiten, um Längerfristiges aufzubauen und nicht immer Spieler holen, die über 30 sind. Ausgenommen die paar Positionen, auf denen man Erfahrung braucht. Insgesamt sind wir eine junge Mannschaft, da muss sich etwas entwickeln können. Und nach zwei Jahren sagt man dann, hey, jetzt bringen wir die Trainingsinhalte alle hinunter zur Jugend, bilden Trainer mit aus, dass dort das Gleiche gemacht wird wie bei uns. Und wenn dann ein Junger hochkommt, weiß er, was er zu laufen hat, wie wir auftreten, auswärts und zu Hause. In Basel hat man das nach zwei Jahren gemerkt.

Standard: Als Sie zum Hamburger SV kamen und gefragt wurden, wo Sie sich in fünf Jahren sehen, haben Sie "beim HSV" geantwortet. Letztlich waren Sie zwei Jahre in Hamburg. Sehen Sie sich in fünf Jahren noch bei der Austria?

Fink: Ich bin ja auch etwas älter, erfahrener, vielleicht reifer geworden. Ich sollte eigentlich langfristig denken, aber ich denke jetzt einmal an die zwei Jahre, die ich Vertrag habe. In diesen zwei Jahren will ich für den Klub alles geben, mein ganzes Wissen, meine ganze Identifikationskraft, um etwas aufzubauen. Wenn ich gehe, soll es heißen, der Junge hat Toparbeit geleistet. Wie in Basel. Wenn Sie da nach mir fragen, wird Ihnen keiner etwas Schlechtes sagen, da werden sie alle sagen, das war top, er hat gewisse Dinge mit aufgebaut.

Standard: Sie haben als Spieler mit den Bayern alles gewonnen, was man im Klubfußball gewinnen kann. Sie hatten aber auch als Trainer noch bei jedem Ihrer Vereine Erfolg ...

Fink: Das ist lieb, dass Sie das so sagen.

Standard: Das sind Fakten. Aber trotz dieser Fakten ist der Name Thorsten Fink kein ganz großer Trainername. Woran liegt das?

Fink: Ich bin kein Mourinho vom Trainernamen her, das weiß ich. In diesem Geschäft ist es manchmal so, dass ein bisschen Glück fehlt oder vom Verein das Vertrauen, dass man noch ein Jahr länger zusammenarbeitet. Dann ist man schnell wieder weg und muss wieder von vorne anfangen. Manchmal war ich vielleicht zu frech am Anfang, zu forsch. Beim HSV habe ich gesagt, ich will in den Europapokal, aber ich hab auch gesagt, im nächsten Jahr. Das wurde dann so umgemünzt und dargestellt, als hätte ich eine große Klappe.

Standard: Fühlen Sie sich unterschätzt?

Fink: Als ich zur Austria ging, hatte ich vorher schon wieder Wertschätzung genossen. Es haben mich mehrere Vereine angerufen, ich hätte zu Hannover gehen können, das habe ich aber abgelehnt, weil ich auf Zypern noch unter Vertrag stand. Und auch Basel hätte mich gerne wieder geholt, aber da hatte ich schon bei der Austria unterschrieben. Es ist immer schwierig, so etwas von sich selbst zu sagen, aber wer meine Statistik liest und mich holt, der weiß, was er bekommt. Der bekommt offensiven Fußball, aber der verliert auch mal zu Hause, mal sogar hoch, weil er in eine rechte Gerade hineingelaufen ist. Aber das nächste Spiel gewinnt er dann 3:0. Wenn ich hartnäckig bleibe und hier jetzt gute Arbeit leiste, habe ich wieder einen Schritt getan. Ich habe in das, was ich mache, totales Vertrauen. Und in mein Trainerteam. In zwei Jahren vielleicht Meister werden, dann läuft das in die richtige Richtung. Ich bin ja noch jung, aber auch erfahren.

Standard: Setzen Sie als Trainer auf Harmonie, oder muss es Konfrontation auch geben?

Fink: Man muss insgesamt schon Harmonie haben, aber man muss sich auch Wahrheiten sagen und kontrovers diskutieren können, ohne danach beleidigt zu sein. Das sind Dinge, die ich zum Beispiel an Uli Hoeneß sehr geschätzt habe. Mit dem konnte ich mich streiten, dass ich glaubte, der entlässt mich jetzt. Aber dann hat er es wieder vergessen.

Standard: Sie haben auch mit Typen wie Stefan Effenberg gespielt.

Fink: Reibungspunkte und richtige Typen muss es immer geben.

Standard: Ja, aber sehen Sie bei der Austria welche? Die wirkte zuletzt schon sehr brav, nett.

Fink: Wir haben schon ein paar Unangenehme drinnen – für den Gegenspieler. Ich liebe es, mit Leuten zu arbeiten, die ein bisschen schwierig sind, dafür aber Leistung bringen.

Standard: Die Austria will vermehrt auch eigene Talente einbauen. Wie leicht arbeiten Sie mit jungen Spielern zusammen?

Fink: Ich glaube, dass ich sie verstehe, weil ich in ihren Themen schon noch drinnen bin. Sie brauchen im Hotel WLAN, das ist eben so. Aber das braucht ja auch unser Funktionsteam. Ich verstehe, dass die jungen Leute anders als wir aufgewachsen sind. Ich bin ein Zechenkind, heißt harte Schule in der Jugend, obwohl mein Vater für harte Arbeit immer gutes Geld verdient hat. Man musste sich eben durchsetzen. Hat ein Trainer zu mir gesagt, du kannst gar nichts, dann habe ich gesagt, pass mal auf, dir zeige ich es aber. Heute gehen sie da vielleicht weinend vom Platz. In Dortmund gibt es diese Zechenkinder auch nicht mehr, aber ich kann Ihnen auch sagen, wenn ich einen Jungen aus Dortmund hole, dann ist der zäher als einer aus München. Ich muss die jungen Leute fördern, aber auch fordern. Nicht immer nur fördern, fördern, fördern. Sie brauchen auch Druck. Ich bin für die Spieler immer da, gebe Tipps, aber wenn einer quer kommt, dann kann ich auch frech werden. Ich bin nicht immer sanft.

Standard: Wie gehen Sie mit Fans um? Die Austria hatte und hat wohl noch ein Problem mit kleinen, zum Teil rechtsradikalen Gruppen.

Fink: Über die brauchen wir nicht reden, mit denen will ich gar nichts zu tun haben, die lernen sowieso nichts. Da müssen eben Sanktionen her. Ich mag die Nähe der guten Fans. Sie sind sehr wichtig für uns, die Basis, das muss jeder wissen. Wir wollen uns Sympathien einholen, wir wollen ein familiärer Klub sein. Ich mag das auch, wenn es im Rahmen bleibt. Es ist ganz klar, dass ich eine Distanz haben muss.

Standard: Kommunizieren Sie über Facebook und/oder Twitter?

Fink: Nein, gar nicht. Ich habe irgendwo gelesen, dass einer unter Thorsten Fink unterwegs ist, ich bin es nicht. Ich bin nicht überzeugt, dass es mir etwas bringt. Ich bin für Fans da, aber ich glaube, dass es oftmals negative Dinge heranträgt. Ich bin nicht gerne in dieser Hinsicht öffentlich. Und abschalten muss ich auch.

Standard: Wie viel Ihrer Zeit, Ihrer Gedanken gehört dem Fußball?

Fink: Eigentlich der ganze Tag, wirklich. Ich esse, ich schlafe, aber es gibt wenige Dinge, über die ich sonst nachdenke. Natürlich, jeder hat Hobbys, bei mir ist es Mode, oder Golfspielen. Dabei kann ich ganz gut abschalten. Aber dann gibt es immer wieder Passagen während des Golfens, wo man über Fußball redet oder daran denkt. Wie kann ich die Mannschaft anders führen? Wie kann ich sie weiterbringen? Was hat dieser und jener Spieler für ein Problem? Wen können wir noch holen, sollen wir den einen abgeben? Machen wir morgen Video, machen wir kein Video? Das geht fast Tag und Nacht so.

Standard: In Österreich genießt Teamchef Marcel Koller wegen der Erfolge hohes Ansehen. Als er kam, war er ein Außenseiter, deshalb wurde seine Bestellung auch kritisiert. Ist es ein Vorteil, kein Vereinsinsider zu sein?

Fink: Als ich gekommen bin, hieß es, dass die Austria ein schwieriger Klub ist. Ich bin da frei davon, ich sehe nichts Schwieriges. Ich kann unbelastet herangehen, weil ich nicht hundertprozentig alles kenne, auch im Klub. Das kann ein Vorteil sein, muss aber nicht. Im Moment sind alle euphorisch. Am Ende werde ich am Erfolg der Mannschaft gemessen. (Sigi Lützow, 18.7.2015)