Kinder mit unterschiedlich guten Sprachkenntnissen – hier in einer Wiener Neustädter Schule – sollten alle gleich gut dem Unterricht folgen können. Wie das funktioniert, ist in der Koalition umstritten.

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Wien – Separate Vorbereitungsklassen für die Kinder von Zuwanderern, die während des Schuljahres kommen und kaum Deutsch können – mit diesem Vorschlag auf Basis des neuen Integrationsberichts blitzt Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) bei der SPÖ ab. Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) ist gegen Zuwandererklassen.

Und auch in Wien will man das Modell des schwarzen Ministers nicht für gut befinden. Dabei hatte Kurz ausdrücklich Wien als Vorbild genannt, weil es in der Bundeshauptstadt bereits Intensiv-Sprachkurse für Schüler gibt. Diese seien aber etwas anderes als das Modell des Ministers, beeilte man sich im (rot geführten) Wiener Stadtschulrat zu versichern.

Neu in Wien

Das Wiener Kursmodell heißt "Neu in Wien" – und beinhaltet zwei von fünf Schultagen, an denen nicht nur die Unterrichtssprache Deutsch, sondern auch das Alltagsleben in Wien gelehrt wird.

Im Ö1-"Morgenjournal" kündigte die Wiener Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl an, ab Herbst mehr Kinder in diese Modellkurse aufzunehmen – und diese flexibler zu gestalten. Manchmal sei es ausreichend, wenn die Kinder nur für einen Tag den "Neu in Wien"-Kurs belegen. Andererseits räumte sie ein, dass es auch Fälle geben könnte, wo "das Kind erst alphabetisiert werden muss – und das an fünf Tagen in der Woche". Das wäre dann de facto doch eine Zuwandererklasse.

Nur: Heißen soll sie nicht so.

Stundenweise in Klasse

Die SPÖ lehnt nämlich eigene Vorbereitungsklassen für Zuwandererkinder ohne Deutschkenntnisse weiterhin ab. Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek sagt, betroffene Kinder sollten wenigstens stundenweise in ihrer eigentlichen Klasse sitzen.

Die ÖVP widerspricht dem heftig: Für deren Bildungssprecherin Brigitte Jank ist der Ansatz von Heinisch-Hosek, vorbereitende Sprachkurse "so kurz wie möglich" zu halten, nicht zielführend: "Gerade in den Ballungszentren – Beispiel Wien – kommt es zu großen Konzentrationen von Kindern mit nichtdeutscher Umgangssprache. Da geht es nicht darum, diese Unterstützung möglichst kurz zu halten, sondern darum, einen bestmöglichen Erfolg im Interesse der Kinder zu erzielen."

Änderung des Pflichtschulgesetzes

Aus dem Integrationsministerium heißt es auf Nachfrage des STANDARD, es brauche eine Änderung des Pflichtschulgesetzes, in der "klar hervorgeht", dass jedes Kind in Deutsch fit sein müsse, bevor es in das Regelschulsystem wechselt. Minister Sebastian Kurz (ÖVP) will in dieser Sache "weiterbohren, weil es notwendig ist".

Bei einer Regierungsklausur im niederösterreichischen Krems an der Donau fanden die Koalitionsparteien bereits zu folgender Zielformulierung unter der Überschrift "Deutsch vor Regelunterricht": "Schülerinnen und Schüler mit Sprachdefiziten sind, insbesondere im Ballungsraum, in vorbereitenden Klassen in der Sprache fit zu machen, damit der schnellstmögliche Eintritt in das Regelschulsystem gewährleistet werden kann". Bereits kurz darauf stritt man medial dann darüber, welche Definition von "vorbereitenden Klassen" die richtige sei.

Die rote Bildungsministerin deutete die Passage, in der vom "Übertritt ins Regelschulsystem" die Rede ist, damals so: Damit sei nichts anderes gemeint, als dass Schüler, die vorher als "außerordentlich" – im Sinne von nach einem anderen Maßstab zu bewerten – galten, nach der Sprachförderung zu "ordentlichen" Schülern werden. "Wir sind gegen separate Klassen", betonte Heinisch-Hosek im März. Heute sagt sie, "vorbereitende Kurse" sollen "so kurz wie möglich" sein.

Blaue Forderung

Die Forderung nach eigenen Klassen für Zuwanderer ist nicht neu – schon vor zehn Jahren hat sie FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache in die österreichische Diskussion eingebracht – und war auf erbitterten Widerstand der SPÖ gestoßen, die argumentierte: "Das erinnert entfernt an die schlimmsten Zeiten während der Apartheid in Südafrika." Freilich argumentierte etwa der blaue Bildungssprecher Walter Rosenkranz damit, dass "Kinder mit mangelnden Deutschkenntnissen (...) die Wissensvermittlung für andere Kinder nicht aufhalten" sollten. (red, 18.7.2015)