Nordrhein-Westfalen stockte mit dem Verkauf zweier Warhols via Christie's das Landesbudget auf.


Foto: Christie's

Berlin – Falls Monika Grütters einen erholsamen Sommer erhoffte, dann ist ihr dieser Wunsch fürs Erste verwehrt. Seit Details zur geplanten Neuregelung des deutschen Kulturgutschutzrechts bekannt wurden, steht die Kulturstaatsministerin im Kreuzfeuer der Kritik. Es ist das drohende Ausmaß, das Vertreter des Kunsthandels und Künstler auf die Barrikaden treibt. Kein Wunder: Denn verglichen mit anderen EU-Ländern herrschten bei der Ausfuhr von Kunstwerken in Deutschland überaus liberale Zustände.

Im Mittelpunkt stand bisher das "Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes". Objekte, die in dieser Datenbank nicht gelistet waren, konnten unabhängig von ihrem Wert und der Güte in andere EU-Länder transferiert werden. Ganz ohne Genehmigungsverfahren, das selbst bei der Verbringung in Drittländer eher formaler Natur war.

In Österreich ist es umgekehrt. Kulturgüter unterliegen eher generell einer Ausfuhrbewilligung: explizit denkmalgeschützte sowieso, weiters archäologische Objekte und Autografen. Für alle anderen gelten EU-konforme Wertgrenzen, die mit Ausfuhransuchen verknüpft sind. Werke lebender Künstler und solcher, deren Tod noch nicht 20 Jahre zurückliegt, sind innerhalb der EU bewilligungsfrei, ebenso Gemälde bis zu einem Wert von 150.000 Euro, die nicht älter als 50 Jahre sind. Für Darüberliegendes muss angesucht werden. Das Bundesdenkmalamt entscheidet dann über die Ausfuhr. Gesperrt wird, was von herausragender Bedeutung für Österreich ist.

Wie streng von Brüssel verordnete Richtlinien ausgelegt werden, ist den nationalen Gesetzgebern überlassen. Insofern liest sich das Arbeitspapier zum neuen deutschen Gesetz, das wie bisher auf Länderebene exekutiert werden soll, im Detail drastisch: Zeitgenössische Kunst wäre, unter Einhaltung der nun integrierten EU-Wertgrenzen, nicht davor gefeit, zu nationalem Kulturgut erklärt und mit Reiseverbot belegt zu werden – als Dauerleihgaben an subventionierte Museen nach fünf Jahren sogar automatisch.

Fallbeispiel Warhol

Was Grütters künftig tatsächlich verhindern will, zeigt der Aufreger des Vorjahres: Der im Besitz Nordrhein-Westfalens (NRW) befindliche Kasinobetreiber Westspiel ließ in New York zwei Werke Andy Warhols (Triple Elvis, 1963, 65,54 Millionen Euro; Four Marlons, 1966, 55,68 Millionen Euro) versteigern. Abzüglich der Provision des Auktionshauses flossen rund 108 Millionen Euro Richtung NRW, wovon Westspiel etwa 80 Millionen Euro zur Renovierung und Schaffung von Standorten erhielt.

Grütters hatte sich im Vorfeld klar gegen einen Verkauf ausgesprochen, weil die Warhols "emblematisch für die Sammlungsgeschichte des Rheinlands" stünden. Gemäß vorliegendem Konzept hätten sie Deutschland wohl nicht verlassen.

Obwohl noch im Entwurfsstadium, ist der aktuelle Aufruhr des Kunsthandels, trotz avisierter Erhöhung der Wertgrenzen, nachvollziehbar. Betroffen wäre davon indirekt auch Österreich, konkret das Dorotheum und seine umsatzstärkste Sparte: denn der Großteil der hochdotierten zeitgenössischen Handelsware wurde bisher in den deutschen Niederlassungen akquiriert. (Olga Kronsteiner, 22.7.2015)