Wien – In keinem anderen Land der Eurozone sind Erbschaften für den Aufstieg im sozialen Gefüge so wichtig wie in Österreich. Mit Einkommen alleine ist es hierzulande im Vergleich mit anderen Ländern der Eurozone deutlich schwieriger, in der Vermögensverteilung nach oben zu kommen. Das geht aus einer Studie der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) hervor. Man müsste sich Pi mal Daumen schon vom Hilfsarbeiter zur Führungskraft hocharbeiten, um mit der Zeit ein vergleichbares Vermögen aufzubauen wie jemand, der eine durchschnittliche Erbschaft in der Höhe von 150.000 Euro erhält.

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Wer ein Haus oder eine Firma erbt, kann sich sprichwörtlich ins gemachte Bett legen.
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Technisch ausgedrückt liest sich das in der Studie so: Bricht man die Vermögensverteilung in Österreich auf eine Leiter mit 100 Stufen herunter, dann katapultiert eine durchschnittliche Erbschaft einen Haushalt um 17 Stufen in dieser Leiter nach oben. In der Eurozone ist der Effekt nur in Deutschland ähnlich hoch, in Spanien beträgt er etwa elf Stufen, in der Slowakei nur fünf.

In Österreich kommt dazu, dass ein Aufstieg in der Einkommensskala weniger schnell als etwa in Deutschland zu einem Aufstieg in der relativen Vermögensposition führt. Kombiniert man diese beiden Aspekte, steht Österreich wie erwähnt als Schlusslicht da. Die Studienautoren berufen sich auf Zahlen einer komplexen Befragung der EZB für das Jahr 2010, damals gab es 17 Euromitglieder, vier davon kickten die Studienautoren wegen mangelnder Datenqualität aus ihrer Arbeit.

Wieso aber ist der Effekt in Österreich deutlich stärker als in anderen Ländern? Zuerst einmal ist es so, dass in allen Ländern der Aufstieg mit Erbschaften deutlich leichter fällt als mit Einkommen. Jedenfalls steige man hierzulande durch zusätzliches Einkommen weniger schnell in der Vermögensverteilung auf, als in anderen Ländern, sagt Pirmin Fessler, der die Studie mit Martin Schürz erstellt hat, zum STANDARD. Die genauen Gründe dafür seien aber nicht der Fokus der Arbeit gewesen.

"Künftig werden Erbschaften noch wichtiger werden, weil sich die privaten Vermögen in den letzten Jahrzehnten stark vergrößert haben", sagt Fessler. Eine Arbeit des WU-Ökonomen Stefan Humer zeigt, dass noch ein anderer Aspekt dazu kommt. Die Zahl der Erbschaften wird sich seinen Berechnungen nach in den nächsten Jahrzehnten verdoppeln, weil es mehr alte Menschen und daher auch mehr Todesfälle gibt. "Derzeit werden jährlich geschätzt 15 Milliarden Euro vererbt, auch das dürfte sich in den nächsten Jahrzehnten verdoppeln", sagt Humer.

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Neue Studien bestätigen Thesen des Ökonomen Thomas Piketty.
Foto: apa/epa/maat

Die Arbeit der Ökonomen untermauert eine These des Shootingstars der Branche, des Franzosen Thomas Piketty. In seinem Bestseller "Das Kapital im 21. Jahrhundert" warnt er vor einer von Erben dominierten Gesellschaft, weil Vermögen im Verhältnis zu den Einkommen immer weiter anwachsen. Auch eine Arbeit vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche vom Februar schlägt in dieselbe Kerbe wie die OeNB-Studie. Sie kam zum Ergebnis, dass Erbschaften für den Aufbau von Vermögen in Österreich mehr als doppelt so wichtig sind wie Einkommen.

Für den Verteilungsökonomen Wilfried Altzinger kommt das Ergebnis der Studie wenig überraschend. "Nur mit Erbschaften kommt man nach oben", sagt Altzinger, der an der Wirtschaftsuni forscht. "In Österreich glaubt jeder, er werde einmal eine Erbschaft machen, de facto sind es aber nur jene, die schon Vermögen haben."

In Österreich hat etwa jeder dritte Haushalt schon einmal etwas geerbt. In ärmeren Schichten ist es viel unwahrscheinlicher, ein Erbe zu erhalten. Unter den 20 reichsten Prozent haben im Gegenzug schon zwei von drei Haushalten einmal etwas geerbt: im Schnitt 240.000 Euro. Dadurch würden sich Ungleichheiten in einer Gesellschaft einzementieren, sagt Altzinger, eine Steuer auf Erbschaften könnte helfen.

Das sieht auch Wifo-Chef Karl Aiginger so. "Kapitalismus heißt, dass man ein hohes Einkommen hat, wenn man etwas leistet, aber nicht, wenn man etwas erbt", sagt er zum STANDARD. Österreich solle deshalb die 2008 abgeschaffte Erbschaftssteuer wieder einführen. Sie müsse aber in neuer Form kommen. "Die alte Erbschaftssteuer hat unter Intransparenz gelitten, man konnte sie umgehen", sagt der Ökonom. "Wenn es eine moderate Steuer mit großer Transparenz gibt, bin ich dafür." Und: Leistungssteuern müssten im Gegenzug gesenkt werden, so Aiginger, die Steuerquote in Österreich sei bereits "extrem hoch". (Andreas Sator, 22.7.2015)