Altern in neuem Gewand: Mit den Geriatriezentren am Stadtrand von früher ...

Foto: Christian Brandstätter

... hat das Pflegewohnhaus Donaustadt nicht mehr viel gemeinsam.

Foto: Christian Brandstätter

Hotel? Bürohaus? Kunstgalerie? Mit den alten Geriatriezentren am Stadtrand haben die neuen Wohn- und Pflegeheime der Stadt Wien und des Wiener Krankenanstaltenverbunds (KAV) längst nichts mehr zu tun. Das jüngste Projekt des neuen, 2010 gestarteten Wiener Geriatriekonzepts, das insgesamt neun Neu- und Umbauprojekte umfasst, ist das Anfang des Jahres eröffnete Pflegewohnhaus Donaustadt. In direkter Nachbarschaft zum Donauspital wurde das bestehende Geriatriezentrum entkernt, erweitert, um einen Neubau ergänzt und in ein völlig neues Kleid aus Stahl und Glas gesteckt. Unterm Strich wurde der Bau von 30.000 auf 45.000 Quadratmeter aufgestockt. Das Investitionsbudget beläuft sich auf 100 Millionen Euro.

"Früher hatten wir fast nur Doppel- und Vierbettzimmer, aber die Wünsche der Patienten haben sich im Laufe der Zeit gewandelt", erzählt Maria Gessert, Direktorin des Pflegedienstes. "Heute gibt es pro Abteilung 20 Einzelzimmer und vier Doppelzimmer. Damit ist für jeden Geschmack etwas dabei. So kann jeder seine eigene Form der Freiheit genießen."

Automatische Zukunft

Insgesamt fasst das Pflegewohnhaus Donaustadt, das wie ein infrastruktureller Parasit an seiner Krankenhausschwester hängt, 412 Pflegebetten. Die gesamte Technik, medizinische Versorgung, Essensanlieferung und Müllentsorgung wird über ein Automatisches Transportsystem (ATS) abgewickelt. Denn, wie Thomas Wetzstein, Geschäftsführer des planenden Ingenieurbüros Vasko+Partner, erklärt: "Das Haus alleine ohne Donauspital wäre nicht lebensfähig."

Über Leitbänder und WLAN fahren, wie von Geisterhand gelenkt, rund 900 sensorgesteuerte Wagerln rund um die Uhr zwischen den beiden Häusern hin und her und halten den Betrieb am Laufen. Lange, unterirdische Korridore, eigens installierte ATS-Lifte und sekundäre Anlieferungsgänge hinter den Kulissen können auf diese Weise das Personal entlasten. Bisweilen erinnert das ATS an eine fahrerlose Gokartbahn. Man fühlt sich in eine Zukunft katapultiert, die die Bewohnerinnen des Heims nie erleben werden.

Futuristisch wirkt auch die Architektur: Während sich außen die Stahlbänder in der schicken, aalglatten Glasfassade spiegeln, geht es innen etwas wärmer und gemütlicher zu – wenn auch mit der für Delugan Meissl Associated Architects (DMAA) typischen geometrischen Strenge. Die Wiener Architekten – auch bekannt als die Erbauer des Stuttgarter Porsche Museums, der Amsterdamer Filmmuseums Eye und des neuen Festspielhauses in Erl in Tirol – lassen über Boden, Wand und Decke Formenspiele aus Dreiecken, Trapezen und Parallelogrammen wandern. Die Architektur beweist: Alt-Sein hat nichts mit Altmodisch-Sein zu tun.

In den einzelnen Stationen gibt es immer wieder doppelgeschoßige Lufträume. Ein Tribut an Licht und Luft und Großzügigkeit. In einer der niedrigen Sitznischen, gleich neben dem Stationsempfang, sitzt ein Grüppchen von Greisen, kartenspielend, Poker, um genau zu sein. "Ja, das Haus ist sehr modern", sagen die Damen und Herren, "man muss halt mit der Zeit gehen, sonst kann man gleich den Löffel abgeben." Ein besonderes Highlight seien die Loggien, die man absolut barrierefrei – ohne auch nur die winzigste Schwelle – mit dem Rollstuhl oder dem Rollbett befahren kann.

Neue Assetklasse

In Österreich werden die meisten Pflege- und Gesundheitsimmobilien immer noch öffentlich errichtet und betrieben. Doch das könnte sich bald ändern. Immer häufiger haben es Investoren und Projektentwickler auf genau diese, für diese Branche noch junge Sparte abgesehen. Das zeigt sich vor allem auch auf den nationalen und internationalen Messen wie etwa Greet Vienna, Mipim in Cannes und Expo Real in München.

"Der Ruck in Richtung Gesundheitsimmobilien ist noch klein, aber unübersehbar", sagt Magnus Danneck, Projektleiter Marketing bei Jones Lang LaSalle in Frankfurt. "Auch wenn diese Assetklasse noch nicht wirklich in unseren Fokus gerückt ist, wird sie das in den kommenden Jahren sicherlich tun." Diese Entwicklung, so Danneck, sei nicht nur auf den demografischen Wandel zurückzuführen, sondern auch schlicht und einfach auf die Tatsache, dass sich Investoren nach neuen sicheren Anlagemöglichkeiten umsehen. Pflege- und Gesundheitsimmobilien gehören ohne jeden Zweifel dazu. Krankheit im hohen Alter ist für viele ein Thema, Sterben für alle.

Vergleichbar mit Hotels

"In Österreich ist die Entwicklung am freien Markt aufgrund des ohnehin hohen öffentlichen Engagements noch sehr zurückhaltend", erklärt Georg Fichtinger von CBRE. "International jedoch gibt es schon riesengroße Portfolios in diesem Sektor, die bereits in hunderte Millionen Euro gehen. Vor allem nordamerikanische Firmen und Fonds spezialisieren sich zunehmend auf dieses Thema." Hinzu komme, dass die Pachtverträge aufgrund der Zeitlosigkeit und Krisenbeständigkeit dieser spezifischen Assetklasse meist über viele Jahre abgeschlossen werden. "Man kann langfristig einen Cashflow abbilden. Und im schlimmsten Fall kann man einen Ausfall leicht kompensieren."

Die große Frage bei der Entwicklung von Gesundheitsimmobilien, meint Fichtinger, sei nicht so sehr die Finanzierung als vielmehr die Suche nach dem richtigen Betreiber mit der entsprechenden Expertise und Bonität. Am ehesten könne man diese Immobilienklasse mit Hotels vergleichen. Entsprechend ähnlich seien auch die Renditen.

"Meine Beobachtung ist, dass es immer noch recht schwierig ist, für ein Pflegeobjekt eine gute Finanzierung zu bekommen", sagt Stefan Mayer, Managing Director der CaraVita Pflegemanagement-Beratung mit Sitz in Bayern. "Ich denke, es wird noch einige Zeit benötigen, bis sich der Immobilienmarkt an diese neuen Aufgaben gewöhnt hat." Noch wisse man über dieses neue Segment zu wenig. Da werden noch einige Mipims und Expo Reals Einzug halten müssen.

Gewinner und Verlierer

Bis es so weit ist, reicht ein Blick ins Privatiers-Paradies Großbritannien. Dort sind Healthcare-Immobilien wie etwa Krankenhäuser und Pflegeheime bereits an der Tagesordnung. Im ersten und zweiten Quartal 2015 wurden in diesem Sektor laut einer Marketview von CBRE Transaktionen in der Höhe von rund 661 Millionen Euro getätigt. Die Renditen liegen dort je nach Lage und Objekt zwischen 4,5 und 5,5 Prozent, in London bei gar über sechs Prozent.

"Ich sehe in allen Regionen in Großbritannien große Wachstumspotenziale" , sagt Mike Adams, CEO von Octopus Healthcare. "Sowohl in der primären Pflege als auch in Pflegeheimen und im betreuten Wohnen gibt es eine große Nachfrage." Der Markt befinde sich stark in Entwicklung. Und wie immer und überall werde auch dieser Wandel Gewinner und Verlierer mit sich ziehen. Jedoch: Gerade bei Pflege- und Gesundheitsimmobilien wäre es wünschenswert, nur Gewinner an Bord zu haben. Mehr als bei anderen Assetklassen sind hier, sobald sich Investoren in den Markt hineindrängen, größte Vorsicht und allergrößte Ethik vonnöten. (Wojciech Czaja, 25.7.2015)