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Die Komplexität eines Werkes wie Rihms "Eroberung von Mexico" wird hier zur bisweilen drastisch vorgeführten Komplexität von Beziehungen, vermittelt von Angela Denoke und Bo Skovhus.

Foto: APA/BARBARA GINDL

Grelle Autos und kriegerische Computerspiele – alles dabei.

Foto: Salzburger Festspiele / Monika Rittershaus

Montezuma als Frau: Angela Denoke.

Foto: Salzburger Festspiele / Monika Rittershaus

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Bo Skovhus als Cortez während einer Fotoprobe.

Foto: APA/BARBARA GINDL

Salzburg – Wo bleibt er bloß, dieser Cortez! Frau Montezuma hat alles schön hergerichtet, Obst hat sie serviert, den mexikanischen Teppich zurechtgebürstet und das Wandbild von Frida Kahlo (mit pfeildurchbohrtem Hirschen) poliert. Auch die Bücher stehen im Regal in strammer Ordnung – in diesem seltsamen Wohnzimmer, errichtet auf einem Autofriedhof der Zivilisation. Alles also bereit, nur Cortez nicht. Er steht vor der Tür, hinter der Montezuma jetzt nervös Tequila runterkippt, steht da mit Blumen, traut sich nicht klopfen. Von wegen Konquistador!

Regisseur Peter Konwitschny kostet das Warten erhellend aus, zeigt, dass Scheitern in der Beziehungsluft liegt. Und wie Montezuma und Cortez einander schließlich begegnen, wie er sich ungestüm auf sie stürzt und sie ihn (nach einem Zwangskuss zu viel) rauswirft – es wäre nach diesem missglückten Date kaum zu vermuten gewesen, dass Cortez bald aus der Küche kommen wird.

Doch er kommt. Wie Montezuma und Freundinnen seiner ansichtig werden, ist es vorbei mit der Plauderstunde. Wolfgang Rihms vielschichtig-abstraktes Musitheater Die Eroberung von Mexico wird von Konwitschny also konkretisiert und als Disput der Geschlechter in Form von Szenen einer Ehe gedeutet. Da sind Sadomaso-Demütigungen. Da sind brutale Raufduelle, bei denen der (aus dem Zuschauerraum kommende) Bewegungschor als derbe Männermasse zusieht. Da sind auch Verweise auf Ersatzgelüste, wenn Cortez mit einem roten Cabrio protzend vorfährt.

Es gelingt Konwitschny allerdings immer, auch Plakatives im Atem der Musik zu inszenieren; präzise zeichnet er die Wucherungen, Flutungen und Reflexe dieser Partitur nach. In grandiosen Momenten tragen einander Klang und Szene dann auf Ebenen dichtesten Musiktheaters. Konwitschny, als Virtuose des Konterkarierens und Überschreitens auch von selbstdefinierter Konvention, schafft das quasi durch den Ausbruch aus dem eigenen Konzept, durch ein szenisches Crescendo der Gesten und Bilder.

Die Handygeburt

Mag etwa der Auftritt eines neuen Zeitalters in Form der Geburt von Handy und Tabletcomputer (aus dem Schoß Montezumas ...) ein szenischer Kalauer sein. Danach zeigt die Regie jedoch Cortez' Flucht aus der Ehe als Verschwinden in virtuelle Welten. Dies entfesselt eine Bilderflut, die plötzlich auch den Krieg als solchen in Form von Videospielen vorführt.

In diesem Kosmos erscheint dann auch Cortez als Konquistador, als Erinnerung an eine historische Schicht des Werkes. Plötzlich wird also doch der abstrakten Vieldeutigkeit gehuldigt, die Rihms Werk zukommt. Mit einem schönen surrealen Bilderexzess, bei dem die Musik jederzeit mitprägend ist.

Die instrumentale Architektur ist bewusst gestaltet: Das Schlagwerk ist an den Rändern des Zuschauerraums postiert. Links und rechts auf der Bühne, neben dem Wohnzimmer, sitzt jeweils eine Geige im Gepäckraum eines Autowracks und stützt die intimen Momente. Sehr oft summiert sich das Instrumentale jedoch zu imposanten Entladungen; psychedelisch anmutende Klangströme und Verdichtungen heben den Energiepegel. Rihm generiert gewissermaßen Basisemotionen, sucht Direktheit, lässt Chöre und Orchester bei Bedarf auch vom Band kommen, um Hörer in von Musik geschaffene Räume zu bringen.

Im Vokalen sind geräuschhaltige Ausdrucksformen im Einsatz, wobei Montezuma und Cortez, vorwiegend lyrisch agierend, von einem Kunstgriff umgeben sind: Die grandiose Angela Denoke (als Montezuma) wird von zwei Sängerinnen verdoppelt (Susanna Andersson, Marie-Ange Todorovitch), was den Ausdruck weitet. Um Cortez (also den intensiven Bo Skovhus) gruppieren sich zwei Sprechstimmen (Stephan Rehm, Peter Pruchniewitz).

Applaus für Dirigent Ingo Metzmacher, das grandiose RSO Wien und für den späten Salzburg- Debütanaten Konwitschny. Dies alles übrigens von einem Publikum, das durch witzige Lichtverhältnisse eine Gesichtsfarbe verpasst bekam, an die nur obduzierende Pathologen gewöhnt sind. (Ljubiša Tošić, 27.7.2015)