München/Berlin/Washington – Die Griechenland-Krise könnte nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) die wirtschaftliche Erholung in der Eurozone schnell wieder erschüttern. Die Risiken für das Wachstum hätten sich zuletzt allerdings verringert, teilte der IWF am Montag mit. Für den Währungsraum werden Zuwächse von 1,5 Prozent in diesem und 1,7 Prozent im nächsten Jahr vorausgesagt. 2014 betrug das Plus nur 0,8 Prozent. Der niedrige Eurokurs, die ultralockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank und günstigeres Öl sorgten für bessere Aussichten.

Es könnte aber nicht ausgeschlossen werden, dass von Griechenland immer wieder Unsicherheiten und Marktturbulenzen ausgelöst werden. Der IWF empfiehlt daher, in der Eurozone enger zusammenzurücken und die Schutzwälle gegen Krisen noch mehr zu erhöhen.

Schwache Perspektiven

Trotz des anziehenden Wachstums sind die Perspektiven aus IWF-Sicht eher schwach. Auf mittlere Sicht könne nur mit durchschnittlichen Zuwächsen um die Ein-Prozent-Marke gerechnet werden. Daran sei die chronische Nachfrageschwäche schuld. Hinzu kämen Produktivitätsmängel. Weil dies so ist, bescheinigt der Fonds der Eurozone eine hohe Anfälligkeit gegenüber Schocks von außen, etwa durch Probleme in Schwellenländern.

Auch Griechenland bleibe ein Risiko – trotz der zuletzt vereinbarten Umrisse auf ein drittes Hilfsprogramm und der aus Athen zugesagten Reformen. Bei Bedarf sollten die Euroländer alle Instrumente nutzen, um Ansteckungsgefahren in anderen Staaten einzudämmen. Auf längere Sicht sollte die Währungsunion enger zusammenrücken. Der Fonds machte sich in diesem Zusammenhang für eine gemeinsame Bankeneinlagensicherung und einen leichteren Zugang zu Finanzspritzen für die Geldhäuser über den Rettungsschirm ESM stark. Das könnte allerdings Vertragsänderungen im Währungsraum nötig machen.

Gute Stimmung in Deutschland

Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich indes im Juli überraschend verbessert. Der Ifo-Geschäftsklimaindex stieg von 107,5 auf 108,0 Punkte. Die Unternehmen beurteilten sowohl ihre aktuelle Geschäftslage als auch ihre Aussichten für das kommende halbe Jahr wieder besser, teilte das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung am Montag in München mit.

"Die vorläufige Entspannung bei der Griechenlandfrage trägt zur Stimmungsaufhellung in der deutschen Wirtschaft bei", erklärte Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn.

Viele Volkswirte hatten nach zwei Rückgängen mit einem weiteren leichten Dämpfer gerechnet. Aber die Unsicherheit über die Zukunft der Eurozone habe nachgelassen, Export und Binnenkonjunktur liefen weiterhin gut, und Öl sei noch billiger geworden, sagte Ifo-Konjunkturexperte Klaus Wohlrabe. "Die deutsche Wirtschaft ist weiter im Aufschwung."

Die Industrieunternehmen bewerten ihre momentane Lage zwar etwas weniger glänzend, aber die Kapazitäten sind weiterhin überdurchschnittlich ausgelastet, und die ohnehin guten Geschäftsaussichten werden jetzt noch besser eingestuft.

Bremsspuren in China belasten noch nicht

Die Exporterwartungen seien nach einem sehr guten zweiten Quartal jetzt zwar etwas rückläufig, aber Bremsspuren in China spiegelten sich noch nicht in den Auftragsbüchern wider, sagte Wohlrabe. Der Maschinenbau laufe sehr gut. Die Erwartungen in der Chemie- und ölverarbeitenden Industrie gingen – vielleicht auch wegen Hoffnungen auf neue Aufträge aus dem Iran – deutlich nach oben.

Das weiterhin boomende Baugewerbe zeigt sich ebenfalls optimistischer. Billige Kredite unterstützen Firmeninvestitionen wie private Häuslbauer. Lohnerhöhungen und sichere Arbeitsplätze beflügeln auch den Konsum, die Einzelhändler machten im Juli bessere Geschäfte. Der Preiskampf trübte die Erwartungen allerdings etwas. Der Großhandel stufte Lage wie Ausblick rosiger ein.

Insgesamt stieg der Teil-Index für die aktuelle Lage im Juli deutlich von 113,1 auf 113,9 Punkte. Der Index für die Erwartungen legte nach drei Rückgängen von 102,1 auf 102,4 Punkte zu. Dabei seien die Unternehmen, die nach dem Durchbruch in der Griechenland-Krise Mitte Juli befragt wurden, optimistischer als die vorher befragten, erklärte Wohlrabe.

Der Ifo-Index gilt als Frühindikator für die Entwicklung der deutschen Wirtschaft und wird monatlich aus der Befragung von rund 7.000 Unternehmen aus Industrie, Handel und Bauwirtschaft ermittelt. (APA, 27.7.2015)