Martin Amanshauser dreht die Handlung seiner Roman gern ins Außergewöhnliche. Auch in seinem neuen Roman "Der Fisch in der Streichholzschachtel" geht es nicht mit rechten Dingen zu.

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Wien – "Meine Familie behagt mir nicht", erklärt Fred. 39-jährig, mäßig erfolgreich im Alarmanlagenvertrieb, mäßig glücklich verheiratet und Ich-Erzähler, hat er sich dennoch mit ihr auf eine Kreuzfahrt durch die Karibik gemacht. So wie ein Baby oft eine Beziehung kitten soll. Nebenbei gesagt: Seine Frau hätte gern ein Baby, er aber nicht mehr, denn auch so hängt seine Existenz schon genug von ihrem Ererbten ab.

Als Reisejournalist unter anderem für diese Zeitung und Die Presse hat Martin Amanshauser schon manches erlebt. Was er in seinem neuen Roman Der Fisch in der Streichholzschachtel (Deuticke, € 22,60) beschreibt, das aber sicher noch nicht. Denn in einem gewaltigen Sturm trifft der Luxusliner Atlantis auf ein Piratenschiff von 1730, Besatzungen und Jahrhunderte geraten durcheinander.

Der damit einsetzende Dreh des Settings ins Außergewöhnliche ist eine Spezialität des in Wien und Berlin lebenden Autors. Das war schon bei Wahlkampf (Nil, 2001) und Weltraum (Alles klappt nie, 2005) so, jetzt macht er sich eben an den Weltmeeren zu schaffen.

Dabei ist Der Fisch in der Streichholzschachtel eigentlich eine Schmonzette: ein bisschen Liebe, ein bisschen Intrige, ein bisschen Sex und ein minimaler Spannungsfaktor, zusammengerührt in einer Form, die niemanden daran zweifeln ließe, dass das zur Hälfte ein Drehbuch fürs Traumschiff ist. Eine bewährte Absehbarkeit, die irgendwie Gemütlichkeit aufkommen lässt. Und um die nicht zu stören, wird trotz allen Dramas (Sturm! Piraten! Kinder!) reichlich entdramatisiert, um den erzählerischen Wellengang flach zu halten und an Bord und beim Leser keinen erhöhten Puls aufkommen zu lassen.

Staunende Freibeuter

Denn indem er sie ins Groteske zieht, können auch die Piraten nicht für einen solchen sorgen. Dafür liegt in deren Fremdheit ein großes, allerdings oft recht banal bedientes Potenzial des Textes. Mit dem zweiten Ich-Erzähler, dem mit den Piraten reisenden Geografen Salvino d' Armato degli Armati, wirft nämlich das 18. Jahrhundert einen Blick von außen auf eine von den Kreuzfahrern repräsentierte Zivilisation aus Kondomen, Überalterung, Digitalisierung und Urlaub. Kundig im philosophischen Disput über die beste aller Welten hält Salvino die Atlantis erst für ebenjene, bevor er an diesem Urteil zu zweifeln beginnt. Das gleicht manchmal zwar Zeilenschinderei, ist zuweilen aber auch sehr unterhaltsam und interessant. Und so geht die Geschichte dahin: eine Art Groschenroman auf 575 Seiten. Locker und leicht gefügt.

"Ich trage drei oder vier Romane im Koffer, weil das im Urlaub so üblich ist, doch nichts könnte mich weniger interessieren als eine erfundene Geschichte, womöglich noch mit Liebe garniert, zwischen fremden, papierenen Personen, um die ich mich einen Dreck schere", lässt der Autor seine Hauptfigur eingangs lästern.

Warum man solche Geschichten gerne liest? Sie sind Strandlektüre im besten Sinn: Liest man sie, passiert einem nichts, döst man dabei weg, verpasst man nichts. Die Wellen auf dem Cover plätschern einem das schon zu. Die kurzen Kapitel sind hervorragend geeignet, alle paar Seiten Sonnencreme aufzutragen, Schwimmflügerl aufzublasen oder ein Eis kaufen zu gehen. Und wenn sich vor dem Liegestuhl Meer, Palmen und blauer Himmel ausbreiten, kann Amanshausers tiefseedunkler Humor noch so manches Lächeln zur Entspanung beitragen. (Michael Wurmitzer, 27.7.2015)