Wien – Die Steuerreform tritt zwar erst Anfang 2016 in Kraft, sie hat aber bereits in den ersten Monaten des aktuellen Jahres Spuren hinterlassen. Die Einnahmen aus der Kapitalertragsteuer (KESt) auf Dividenden lagen im ersten Halbjahr nämlich weit über Plan, wie aktuelle Zahlen des Finanzministeriums zeigen.

Konkret wurden 1,16 Milliarden Euro an den Fiskus überwiesen, was einem Anstieg um 26 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Viele Firmen haben also offenbar Dividendenausschüttungen vorgezogen, weil sie befürchteten, die erhöhte KESt (künftig sind es 27,5 statt 25 Prozent) könnte bereits während des Jahres eingeführt werden.

Zinsen weiter niedrig

Auch insgesamt sieht der Budgetvollzug des ersten Halbjahres nicht schlecht aus. Die gesamten Einnahmen lagen bei 38,19 Milliarden Euro und somit um 4,6 Prozent über dem Vorjahr. Für das Gesamtjahr hat Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) ein Plus von 4,2 Prozent eingeplant. Auch auf der Ausgabenseite liegt man gut: Zwar führen die hohen Zahlen an Arbeitslosen und Asylwerbern zu nicht geplanten Mehrbelastungen, die Zinszahlungen liegen aber weit unter Plan.

Obwohl der Minister also eigentlich nur auf Kurs ist, wurde seine Position gegenüber Brüssel gestärkt. Wie das möglich ist? An die EU-Kommission wurde eine deutlich niedrigere Steuerschätzung geschickt. Konkret wurden die Einnahmen im Strategiebericht der Regierung, der jedes Jahr im April versendet wird, um 1,5 Milliarden Euro niedriger angesetzt als im Budgetvoranschlag. Erreicht man nun also die ursprünglichen Einnahmenziele, dürfte es leichter fallen, das nach Brüssel gemeldete Ziel eines strukturellen Defizits von nur 0,5 Prozent im aktuellen Jahr zu erreichen.

"Weniger Vertrauen"

Der grüne Budgetsprecher Bruno Rossmann will nun von Schelling wissen, warum die Steuerschätzung im Strategiebericht derart vorsichtig ausgefallen ist. Er bringe den Angaben "immer weniger Vertrauen entgegen". Daher fordere er eine Offenlegung der Annahmen für die Schätzung der wichtigsten Steuern. "Das kann und darf kein Geheimnis sein." In anderen Ländern hätten die Parlamentarier einen wesentlich besseren Einblick. (go, 30.7.2015)