Viele Deutsche könnten ihr Schwarzgeld aus der Schweiz über Österreich heimgeholt haben.

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Wien – Im Zuge der Steuerreform haben sich ÖVP, SPÖ und Grüne im Parlament auch auf ein Maßnahmenpaket gegen eine ganz besondere Gruppe von Hinterziehern geeinigt: die Abschleicher.

So bezeichnet man jene hartnäckigen österreichischen Steuersünder, die ihr Geld lange in der Schweiz versteckt hielten und selbst eine Amnestieregelung nicht nutzen wollten. Am 1. Jänner 2013 trat ein Abkommen zwischen Österreich und der Schweiz in Kraft, das die Nachversteuerung von hinterzogenem Vermögen vorsah. Doch die Abschleicher haben ihr Geld noch vorher heimlich aus der Schweiz abgezogen und vielfach nach Österreich geschafft. In der Heimat bot das Bankgeheimnis lange Schutz.

Banken müssen melden

Das ändert sich nun. Im Nationalrat wurde Anfang Juli ein Gesetz beschlossen, wonach heimische Banken Kapitalzuflüsse aus der Schweiz und aus Liechtenstein (es gab ein ähnliches Abkommen) für die kritischen Zeiträume melden müssen. Alles über 50.000 Euro wird erfasst.

Geht es nach deutschen Steuerexperten, dürften die neuen Regeln nicht nur heimische, sondern auch deutsche Hinterzieher in Schwierigkeiten bringen.

Exodus deutscher Konteninhaber

Das österreichische Gesetz sieht nämlich vor, dass Kapitalzuflüsse aller natürlichen Personen aus der Schweiz zwischen Juli 2011 und Ende Dezember 2012 gemeldet werden müssen. In dieser Zeit dürfte aber auch ein Exodus deutscher Konteninhaber über Österreich stattgefunden haben.

Um zu erklären, warum, ist ein Blick zurück notwendig. Die Schweiz geriet nach 2010 wegen ihres Rufes als Steueroase in zunehmende Kritik. Die Credit Suisse musste etwa 2012 eine 150-Millionen-Euro-Strafe in Deutschland bezahlen, weil man aktiv um Schwarzgelder geworben hatte.

Bankenfestung knacken

Die deutsche Regierung versuchte damals auch, die Bankenfestung in der Eidgenossenschaft zu knacken. Es wurde ein ähnlicher Vertrag wie zwischen Wien und Bern ausverhandelt, der die Nachversteuerung deutscher Schwarzgelder in der Schweiz vorsah. Die Regierung in Berlin erwartete sich dadurch zehn Milliarden Euro an Mehreinnahmen.

Doch die Ratifizierung scheiterte 2012 am Widerstand von SPD und Grünen in der zweiten Parlamentskammer. Die beiden Oppositionsparteien stießen sich daran, dass die deutschen Hinterzieher weiter anonym bleiben konnten.

Barabhebungen verhindert

Inmitten dieser Debatten versuchten die Schweizer Banken, etwas fürs eigene Image zu tun. Ab dem Frühjahr 2011 tauchten in deutschen Medien Berichte auf, wonach Schweizer Banken Kunden aus der Bundesrepublik an Barabhebungen hinderten.

Solche Barbehebungsverbote waren nie gesetzlich verankert. Doch der Bankenverband in Basel hat Richtlinien erlassen, die besagen, dass Kreditinstitute bei Bargeldbehebungen besonders sorgsam sein müssen. Inoffiziell wird in Basel bestätigt, dass einige Banken ganz streng waren: Sie ließen höhere Abhebungen nicht zu. Ausländische Staatsbürger konnten Gelder nur auf andere Konten überweisen. Dadurch waren die Schweizer Banken abgesichert, weil Gelder verfolgbar waren.

Wer unentdeckt bleiben wollte, dem blieb der Fluchtweg über Österreich. "Wir erleben das immer wieder", sagt der auf internationale Fragen spezialisierte Augsburger Steuerberater Ulrich Derlien: "Ein Kunde kommt zu uns und möchte ein Konto in Österreich nachversteuern. Dabei stellt sich heraus, dass er davor ein Konto in der Schweiz hatte."

Jagd auf die Hinterzieher

Die Medienberichte 2011 und 2012 über die Jagd auf Hinterzieher dürften dazu geführt haben, dass viele Deutsche aus der Schweiz wegwollten. Derlien ist sich deshalb sicher, dass neben österreichischen Abschleichern auch deutsche ins Netz gehen werden. Wie viele, kann er nicht sagen.

Offen ist, wie man mit ihnen verfährt. Dass es sie geben könnte, war nie Teil der Diskussionen, sagt der grüne Abgeordnete Bruno Rossmann, der auf das Abschleichergesetz gedrängt hatte.

Für heimische Steuerflüchtlinge gilt, dass sie ihre Schulden mit einer Abschlagszahlung (38 Prozent) begleichen können. Dies dürfte für Personen, die im Ausland steuerpflichtig sind, nicht infrage kommen.

Bleibt als Alternative die Selbstanzeige oder die Meldung der Kundendaten durch die Bank an Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP). Laut einer EU-Amtshilferichtlinie wäre er in diesem Fall wohl verpflichtet, die deutschen Behörden zu informieren. (András Szigetvari, 31.7.2015)