Es muss wie ein Schlag ins Gesicht gewesen sein: Der chinesische Künstler, Dissident und Menschenrechtler Ai Weiwei hatte ein sechsmonatiges Visum für Großbritannien beantragt. Kommt nicht infrage, beschied ihm zunächst die britische Botschaft in Peking und begründete dies damit, dass Ai bei seinem Visumsantrag eine Vorstrafe verschwiegen haben soll. "Es ist öffentlich bekannt, dass Sie früher eine strafrechtliche Verurteilung in China erhalten und dies nicht angegeben haben."

Stattdessen wurde dem Künstler zunächst ein dreiwöchiges Touristenvisum erteilt – erst auf Druck der medialen Weltöffentlichkeit lenkte man Freitagabend ein. Innenministerin Theresa May intervenierte und revidierte die Entscheidung. "Wir haben uns schriftlich bei Herrn Ai für die Unannehmlichkeiten entschuldigt", erklärte eine Sprecherin des Innenministeriums.

"Niemals verurteilt"

Ai Weiwei hatte zuvor bei der britischen Botschaft protestiert. Er sei niemals "wegen eines Verbrechens angeklagt oder verurteilt worden". Von britischer Seite wurde auf seine Festnahme im Jahr 2011 und eine Geldstrafe in Höhe von umgerechnet rund 2,2 Millionen Euro verwiesen, die Weiweis Unternehmen aufgrund angeblicher Steuerhinterziehungen im Jahr 2012 erhielt. Doch zum einen handelte es sich um ein zivilrechtliches Verfahren, zum anderen wird es weithin als Vergeltungsmaßnahme Pekings für Weiweis Kritik an der Kommunistischen Partei verstanden. Die Entscheidung, ihm ein langfristiges Visum zu verweigern, protestierte Weiwei, "ist eine Aberkennung meiner Rechte als gewöhnlicher Bürger". Großbritannien mache sich gemein mit der "Position jener, die Menschenrechtsverteidigern Leid zugefügt haben".

Besuch von Xi Jinping

Ai wollte ein langfristiges Visum, um seine Ausstellung in der Londoner Royal Academy vorzubereiten. Mit dem dreiwöchigen Visum hätte er nur zur Eröffnung einreisen können – und wäre aber während des Besuches von Chinas Staatschef Xi Jinping nicht mehr vor Ort gewesen.

Genau das, vermuten Beobachter, sei der eigentliche Grund hinter der britischen Brüskierung: London habe befürchtet, dass Weiwei eine Protestaktion gegen den Staatsgast habe inszenieren wollen. Der britischen Regierung sei an guten bilateralen Beziehungen mehr gelegen als an Solidarität mit einem Dissidenten.

James Savage von Amnesty UK kritisierte die erste Entscheidung Londons und erklärte, dass chinesische Behörden routinemäßig Menschenrechtler mit Strafverfahren überziehen, um zu erreichen, dass sie nicht ins Ausland reisen können. (Jochen Wittmann aus London, 31.7.2015)