Szenenfoto aus Helga Davids "Bacchusfest" & "Anatols Hochzeitsmorgen" auf Schloss Wartholz

Foto: Helga David

Reichenau/Rax – "Sie wollen durthin, wo die Theaterei is?" – Die "Theaterei", von der hier die Rede ist, sind die "Schnitzler im Schloss" -Spiele Helga Davids. 15 Jahre lang residierte sie damit im Thalhof bei Reichenau, bis die neuen Besitzer mit Anna Maria Krassniggs "Wortspielen" heuer zeitgenössischere Saiten aufgezogen haben – und David mit ihren Produktionen ein Stück weiter gezogen ist – auf Schloss Wartholz.

Neben Rilkes Portugiesischen Briefen spielen sich dort heitere Szenen nach Arthur Schnitzler ab. Dessen Bacchusfest und die Hochzeitsmorgen-Episode aus Anatol hat David zu einem Abend über Liebe, Triebe und Betrug zusammengespannt: im Zentrum der Gegensatz vom flüchtigen Reiz der Liebelei und behäbig-verbindlicher Ehestabilität der Ehe. Anziehung ist das eine, Anheiratung ein anderes.

"Zunächst sollen sich die Zuschauer unterhalten, dann sollen sie's verstehen", erklärte Schnitzler, der noch vor Freud in die Wiener Seelen schaute und dabei herrlich schillernde, konzentrierte Psychogramme der Fin-de-Siècle-Gesellschaft zeichnete.

Liebe, Triebe und Betrüge

Das gelingt auch Davids Regie. Anmutig gibt Katharina von Harsdorf die Frau im nuancenreich inszenierten Stellungskrieg von Ehemann (Clemens Aap Lindenberg) und Geliebtem (Wolfgang Lesky). Herzrührend melodramatisch ist Sophie Aujesky als mädchenhaft-kindische Ilona, sympathisch überfordert Bräutigam Christian Kainradl als doppelter Haserljäger. Das passt!

Denn hinter Schnitzlers doppeldeutiger Sprache, derer Worte keines unnötig und gleichsam keines zu viel gesagt ist, schaut nicht nur der Schalk hervor, sondern zittern auch die Existenzen. Scheinhaft und entlarvend, plakativ und hintergründig ist der Schnitzler’sche Sprech meisterhaft gearbeitet. Das (Groß-) Bürgertum, die Bälle, Sommerfrischen und die süßen Maderln – sie alle erstehen im Geist des Zuschauers. Da braucht es gar nicht mehr Ausstattung (Avni Kryeziu, Gerda Nuspel) als die Kaffeehausbestuhlung eines k. u. k. Bahnhofs oder das Kanapee im Salon des Heiratsunwilligen.

Schnitzlers Jahrhundertwendeflair erweist sich in Reichenau auch heute noch als mehr denn bloß charmant – die Schnitzler’schen Existenzen zittern, wenn auch unter anderen Bedingungen, bis dato. Da darf getrost applaudiert werden. (Michael Wurmitzer, 3.8.2015)