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Flüchtlinge sollen nicht glauben, dass in England "Milch und Honig fließt", sagte der für Immigration zuständige Staatsminister James Brokenshire.

Foto: REUTERS / Pascal Rossignol

Während Premierminister David Cameron in seinen Sommerurlaub ins südenglische Cornwall fährt, will die britische Regierung angesichts der Flüchtlingskrise in Calais nicht untätig erscheinen und verschärft ihre Haltung gegenüber Migranten, die illegal einreisen.

Der für Immigration zuständige Staatsminister James Brokenshire kündigte an, abgelehnten Asylbewerbern die Sozialhilfe zu streichen: Das signalisiere deutlich, dass Großbritannien "nicht das Land ist, wo Milch und Honig fließen". Ähnlich äußerte sich auch Innenministerin Theresa May. Viele Flüchtlinge sähen Großbritannien als einen Ort, "der Aussicht auf finanziellen Gewinn bietet. Das ist nicht der Fall." Die Strategie ist deutlich. Die britische Regierung konzentriert sich jetzt darauf, das Land möglichst unattraktiv für Migranten zu machen.

Zwangsräumung ohne richterlichen Beschluss

Am Montag wurde angekündigt, die Wohnungssuche für illegale Einwanderer zu erschweren. Mietern ohne Aufenthaltsgenehmigung kann demnächst fristlos gekündigt werden, für die Zwangsräumung braucht es dann keinen richterlichen Beschluss.

Vermieter dagegen müssen den Aufenthaltsstatus ihrer Mieter überprüfen. Vermieten sie dennoch an illegal im Land lebende Migranten, riskieren sie hohe Geldstrafen und bis zu fünf Jahre Gefängnis. Die Maßnahmen werden Teil eines neuen Einwanderungsgesetzes, das im Herbst verabschiedet werden soll.

Mehr Fluchtversuche im Eurotunnel

Bis dahin wird die Flüchtlingskrise in Calais weitergehen. Nachdem sich am Wochenende die Lage etwas beruhigt hatte, kam es in der Nacht zum Montag erneut zu rund 1.700 Versuchen, auf das Gelände des Eurotunnels einzudringen, wo die Flüchtlinge auf Lkw oder Frachtzüge gelangen wollen, um nach Großbritannien zu kommen.

London hat den französischen Sicherheitskräften Unterstützung zugesagt: Neben Infrarotdetektoren, Überwachungskameras, Spürhunden und Flutlichtanlagen für das Eurotunnel-Gelände bedeutet das vor allem einen starken Anstieg beim privaten Sicherheitspersonal. Ein Hochsicherheitszaun soll bis zum Wochenende fertiggestellt werden.

"Pull-Faktor"

Ob die Maßnahmen greifen, muss abgewartet werden. Der sogenannte "Pull-Faktor", die Anziehungskraft, die Großbritannien für Migranten hat, bleibt bestehen. Dazu gehört die englische Sprache, der flexible und aufnahmewillige Arbeitsmarkt, lasche Identitätskontrollen, der kostenlose Zugang zum nationalen Gesundheitsdienst, ein großzügiger Mindestlohn und manches mehr.

Daher werden auch die Initiativen der Regierung, Großbritannien weniger attraktiv für Einwanderer zu machen, mit Skepsis aufgenommen. Tatsächlich lösen, so ist die vorherrschende Meinung in den Medien, kann das die Krise nicht. Stattdessen verlangt vor allem die Massenpresse, dass die Franzosen gefälligst mehr tun sollen: zum Beispiel das Flüchtlingslager in Calais auflösen, das als Durchgangsstation für den Sturm auf die Festung Großbritannien dient.

Nicht vor den Kopf stoßen

Premier Cameron hat sich bisher gehütet, in dieses Horn zu blasen. Er weiß: Stößt er die Franzosen vor den Kopf, könnten die womöglich die Vereinbarung über vorgezogene Grenzkontrollen kündigen und dann hätte der Premier alle Flüchtlinge in den britischen Fährhäfen. Die Strategie kann nur sein, um Solidarität unter EU-Partnern zu bitten und von den französischen Behörden eine möglichst weitreichende Kooperationsbereitschaft zu bekommen. (Jochen Wittmann aus London, 3.8.2015)