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Die FPÖ die ÖVP beteuern, keinen fliegenden Wechsel zu Schwarz-Blau vollziehen zu wollen. Im Bild: FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka.

Foto: apa/techt

Frage: Die Grünen haben vor einem "fliegenden Wechsel" in der Regierung gewarnt. Wie realistisch ist es, dass es in dieser Legislaturperiode noch zu einer schwarz-blauen Regierung kommt?

Antwort: An einen "fliegenden Wechsel" zu glauben, bezeichnete ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka als "absurd". Lopatka hatte allerdings auch am Tag vor der Bekanntgabe ausgeschlossen, dass die ehemalige Team-Stronach-Abgeordnete Kathrin Nachbaur zur ÖVP wechselt. Auch die FPÖ hat am Montag einen solchen Wechsel ausgeschlossen.

Frage: Warum sollte die FPÖ auch ein Interesse daran haben, als Juniorpartner der ÖVP in die laufende Legislaturperiode einzusteigen? Immerhin stehen laut Umfragen die Chancen gut, dass sie bei der nächsten Wahl als stärkste Fraktion hervorgeht.

Antwort: Das ist prinzipiell richtig. Allerdings könnte der 11. Oktober – an diesem Tag wählt Wien – Bewegung in das politische Gefüge bringen. Sollte die FPÖ als stärkste Kraft hervorgehen, könnte die ÖVP – vorausgesetzt, sie bekommt genügend Stimmen – Strache zum Bürgermeister machen. Im Gegenzug dafür könnte die FPÖ den Schwarzen im Bund zum Regierungszepter verhelfen.

Frage: Wie viele Abgeordnete brauchen ÖVP und FPÖ noch, um eine Regierungsmehrheit im Parlament zu bekommen?

Antwort: Zusammen verfügen ÖVP und FPÖ nun über 89 von 183 Abgeordneten, das ergibt 48,6 Prozent. Die Freiheitlichen haben derzeit 38 Sitze inne. Zwei Salzburger Abgeordnete machen nach einer Parteiabspaltung in ihrem Bundesland als Fraktionslose weiter. Aktuell fehlen einer schwarz-blauen Mehrheit im Nationalrat drei Abgeordnete. Der Parlamentsklub des Teams Stronach zählt derzeit sieben Abgeordnete.

Frage: Was müsste im Parlament geschehen, um einen Regierungswechsel während der laufenden Legislaturperiode einzuleiten?

Antwort: Nach einem Misstrauensantrag kann der Nationalrat der Bundesregierung oder einzelnen Mitgliedern das Vertrauen mit einer einfachen Mehrheit entsagen. 92 Abgeordnete, also die Hälfte der Mitglieder des Nationalrates, müssen anwesend sein. Wird für den Entschließungsantrag gestimmt, ist die Bundesregierung oder der betreffende Minister des Amtes zu entheben. Geregelt ist dieses Prozedere im Artikel 74 der Bundesverfassung. Wie Werner Zögernitz vom Institut für Parlamentarismus und Demokratiefragen erklärt, hätte ein Misstrauensvotum gegen den Bundeskanzler zur Folge, dass der Bundespräsident eine andere Person mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragen müsste.

Frage: Braucht es besondere Grün-de, um das Vertrauen versagen zu können?

Antwort: Nein, ein Misstrauensvotum bedarf keiner besonderen Begründung. Auch bedarf es keiner Verfehlungen rechtlicher Art durch ein Regierungsmitglied. Der Nationalrat könnte damit einfach zum Ausdruck bringen, dass das Regierungsmitglied nicht mehr das Vertrauen der Mehrheit der Abgeordneten genießt, seine Aufgaben im Sinne der Volksvertretung zu erfüllen. Ein Misstrauensvotum steht übrigens nur dem Nationalrat, nicht aber dem Bundesrat zu.

Frage: Was kann der Bundespräsident machen?

Antwort: Der Bundespräsident könnte den Nationalrat auflösen, was Neuwahlen zur Folge hätte. Außerdem könnte er einzelnen vorgeschlagenen Regierungsmitgliedern die Angelobung versagen. Im Jahr 2000 lehnte der damalige Bundespräsident Thomas Klestil die FPÖ-Kandidaten Thomas Prinzhorn und Hilmar Kabas ab. Dass der Bundespräsident eine Person mit der Bildung einer Regierung betraut und die Angelobung der gesamten Regierung ablehnt, hält Zögernitz realpolitisch für unrealistisch. Die Bildung einer Minderheitsregierung würde sich im parlamentarischen Alltag wohl als unpraktikabel erweisen. So akzeptierte Klestil im Jahr 2000 letztlich die realpolitischen Machtverhältnisse und gelobte Schwarz-Blau an.

Frage: Könnte die ÖVP bei einer Mehrheit im Parlament den Anspruch auf das Amt des Ersten Nationalratspräsidenten stellen?

Antwort: Nein, denn parlamentarische Funktionen werden jeweils für eine Gesetzgebungsperiode gewählt. (Katrin Burgstaller, 4.8.2015)