Die Austernart Saccostrea cucullata bildet kleine Riffstrukturen im Gezeitenbereich des nördlichen Roten Meeres. Heute kommt sie auch an der Südküste der Türkei vor.

Foto: Martin Zuschin

Wien – Seit Eröffnung des Suezkanals 1869 setzte eine regelrechte Einwanderungswelle aus dem Roten Meer sowie aus weiteren Teilen des Indischen Ozeans und des westlichen Teils des Pazifiks ein. Dadurch wurde das Mittelmeer zum am stärksten von Einwanderung betroffenen Meer weltweit. Rafal Nawrot und Martin Zuschin vom Institut für Paläontologie der Universität Wien interessieren sich für solche Ereignisse, die als "Lessepssche Migration" bezeichnet werden. Nun haben die beiden Forscher festgestellt, wie fremden Muscheln der Sprung ins Mittelmeer gelungen ist: In erster Linie mussten sie schnell sein und sich auch in kühlem und seichtem Wasser wohlfühlen.

Vergleichbar sei dieser im Mittelmeer noch laufende Prozess mit großen Invasionen in fossilen Ökosystemen. Denn immer wieder in der Vergangenheit führten geografische Veränderungen dazu, dass sich Meeresverbindungen zwischen zuvor getrennten Meeresbecken bildeten – mit entsprechenden Verwerfungen in der Tierwelt.

Erfolgreiche Invasoren

Um herauszufinden, was eine Muschelart zum erfolgreichen Siedler im Mittelmeer macht, haben die Forscher unterschiedliche Eigenschaften von fast 400 Spezies des Roten Meeres erhoben, darunter die Zusammensetzung der Arten an sich, die Verteilung in verschiedenen Tiefen, ihre Verbreitung sowie Körpergröße und Lebensweise. "Wir haben weltweit erstmals untersucht, welche ökologischen Eigenschaften für eine erfolgreiche Invasion einer größeren Gruppe mariner wirbelloser Tiere verantwortlich sind", so Nawrot.

Da der Suezkanal ursprünglich lediglich acht Meter tief war, hatten vor allem Arten, die in seichten Gebieten des Roten Meeres leben, gute Karten. Erfolgreiche Einwanderer sind außerdem solche, die auch in anderen gemäßigten Meeren zu finden und entsprechend temperaturtolerant sind. Auch die Geschwindigkeit spielt eine Rolle, denn Arten, die zuerst im Mittelmeer ankamen, hatten den Vorteil, relativ viel Zeit für den Aufbau einer Population zu haben.

Konkurrenz für Alteingesessene

Sie bilden häufig Muschelbänke oder kleine Riffe und verändern damit die Umweltbedingungen auf den für sie neuen Meeresböden. Große Veränderungen in ihrem neuen Lebensraum verursachten vor allem invasive Arten, die überdurchschnittlich groß sind und damit zu direkten Konkurrenten ähnlicher Arten des Mittelmeeres wurden.

Eine weitere Einwanderungswelle steht laut den Wissenschaftern aber unmittelbar bevor, hat Ägypten doch in den vergangen Jahren den Ausbau des Suezkanals forciert. So wurde eine neue Strecke mit einer Länge von 37 Kilometern angelegt, die parallel zum alten Kanal verläuft und ein Teil der bisherigen Wasserstraße auf einer Länge von 35 Kilometern erweitert und vor allem vertieft. Das dürfte künftig zusätzlichen Arten die Durchquerung des Kanals ermöglichen. "Die Klimaerwärmung wird das ihre dazu beitragen, dass sich diese neue Welle von Einwanderern ebenfalls rasch im Mittelmeer etablieren kann", so Zuschin. (APA/red, 7.8.2015)