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Juan Diego Flórez in Salzburg: Viele hohe Noten und zwischendurch auch Gestaltungskünste.

Foto: EPA/Kallos

Salzburg – Für die Zugabe kommt er mit Gitarre, stimmt das Instrument, beginnend mit der höchsten Saite, wie es sich für einen Hochtontenor gehört. Mit großer Geste entledigt sich Juan Diego Flórez dann jenes Mascherls, das ihn einen Abend lang geschmückt hatte, wirft es in den Klavierbauch und haucht Bésame mucho, den Klassiker von Consuelo Velázquez. Das soll zwar alles in die Kategorie "leger" fallen; tatsächlich wirkt Flórez auch wie jener schmachtende Junge, der unterm Fenster der Angebeteten um selbige wirbt. Dennoch ist da höchste Kunstfertigkeit – im Dienste von Lyrik und Intimität.

Bis zu diesem Augenblick ging es im Großen Festspielhaus vielfach allerdings um ganz Anderes. Als Wunder der hohen Belcantotöne servierte Florez, quirlig begleitet von Pianist Vincenzo Scalera, serienweise akustische Gipfeleroberungen. Leoncavallos Aprile gibt zu Beginn die Richtung vor.

Und wie Flórez schließlich bei Donizettis Lucrezia Borgia als Genarro (Partir degg''io) doch zu immenser Tiefe des Ausdrucks vordringt, hat er längst alle heiklen Stellen schmetternd besiegt. So bewundernswert Fülle und Kraft dieses Stils auch zweifellos sind, so wurden Zwischentöne und Nuancen ihre Opfer, zumal Flórez auch dort, wo er sich um Diskretes bemühte, zunächst blass klang (Tostis Malia). Mit Fortdauer des Abends wurde es besser. Effektvolles Auftrumpfen und quasi maschinelle Interpretation wichen einer flexibleren Gestaltung. Bei Duparcs L' invitation au voyage durchwandert Flórez die lyrische Sphäre delikat, intelligent seine Ausdrucksdosierung als Gounods Faust. So überwog bei Salut! demeure chaste et pure der Eindruck, die Stimme sei der Cavatine zu Diensten – und nicht umgekehrt.

Es verhielt sich somit wie bei der ersten Zugaben, wie bei Bésame mucho, das unverhofft zu einem Glanzpunkt wurde, da ein Sänger, nachdem er über all die hohen Noten triumphiert hatte, dazu überging, einfach ein Liedchen entspannt zu beleben. (Ljubiša Tošić, 5.8.2015)