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Der syrische Sänger Omar Souleyman stieg während der letzten Jahre vom in seiner Heimat gefragten Star bei Hochzeits-, Geburtstags- und Tauffeiern zum neuen Star des nach Exotismen gierenden Genres der Weltmusik auf.

Foto: Reuters/TOBIAS SCHWARZ

Wien – Bevor Omar Souleyman vor einigen wenigen Jahren zu einem der gefragtesten Stars des Weltmusik-Genres aufstieg, hatte er der Legende nach schon über 500 im Studio und vor allem live aufgenommene Songsammlungen veröffentlicht. In seiner alten Heimat Syrien nahm er so tatsächlich die Rolle eines Volksmusikers im wortwörtlichen Sinn ein.

Verkauft wurde seine Musik in Form billiger wie hitzeresistenter und im arabischen Raum noch immer handelsüblicher Musikkassetten auf Märkten, am Kiosk oder bei einem seiner hunderten Auftritte pro Jahr: Hochzeiten, Partys, Geburtstagsfeste, Tauf- und Firmenfeiern. Vor allem Hochzeiten mit speziell auf das Brautpaar zugeschnittenen, spontan gedichteten Texten, die im Wesentlichen um die Liebe, das Verliebtsein, die Liebe als Himmelsmacht und die Liebe als größte Kraft, die alles schafft, kreisen, das ist der Arbeitsschwerpunkt des 1966 geborenen Sängers.

Traditionelle, sich auf nur zwei Stunden beschränkende Konzerte kannte Omar Souleyman in diesem Sinn nicht. Ende der Nullerjahre gelangten einige Kassetten Omar Souleymans in die Hände des damals durch Syrien reisenden Kaliforniers Mark Gergis. Der war nicht nur vom Irrwitz dieser Musik begeistert, sondern vor allem auch von deren unwiderstehlicher Wucht. Gegen diese hat selbst ein tanzresistentes Publikum kaum eine Chance.

Gergis veröffentlichte auf seinem Label Sublime Frequencies die CD-Kompilationen Highway to Hassake, Jazeera Nights und Dabke 2020. Sie verkauften sich im nach Exotismen jeglicher Art gierenden Westen ausgezeichnet, ohne auf dem sonst im Weltmusik-Genre gern eingeforderten Authentizitätsgebot herumzureiten. Diese Musik ist zwar wahrhaftig, aber sie ist ein Bastard. Sie nimmt sehr wohl darauf Rücksicht, dass man im 21. Jahrhundert zwischen Tradition und Moderne selbst in abgelegenen Weltregionen schon einmal etwas von Pop und Instrumenten gehört hat, die eine Steckdose brauchen.

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Der syrische Sänger Omar Souleyman stieg während der letzten Jahre vom in seiner Heimat gefragten Star bei Hochzeits-, Geburtstags- und Tauffeiern zum neuen Star des nach Exotismen gierenden Genres der Weltmusik auf.
Foto: Reuters/TOBIAS SCHWARZ

Bei hoher Geschwindigkeit – der Amerikaner spricht diesbezüglich von "breakneck speed" – wird hier mit einem Mann hinter zwei wie ein Krummhorn im Hormonrausch quäkenden Billigsdorfersynthesizern und Gästen an Oud, Saz oder diverser Perkussion zu wogenden und schwingenden Beats Dabke-Musik produziert. Souleyman ist im nordsyrischen Grenzgebiet aufgewachsen. Türkische, kurdische, aramäische Einflüsse verbinden sich mit arabischen Melodien. Ein Duracell-Hase auf Speed malträtiert die Alleinunterhalter-Orgel. Darüber gibt ein mit kehliger Stimme auf Arabisch und Kurdisch vortragender Sänger im Frage-Antwort-Dialog mit den Melodieinstrumenten den Liebesboten und forschen Tanzdiktator.

Dabke ist ein im Nahen Osten populärer Reihentanz, bei dem man sich an Händen oder Schultern fasst. Er bedeutet "Mit den Füßen auf den Boden stampfen" und leitet sich von alter gemeinschaftlicher Arbeit bezüglich des Festtretens von Lehm ab.

Frühe Youtube-Videos zeigen Omar Souleyman bei Hochzeiten. Während ihm sein Mitarbeiter, der neben ihm auf der Bühne stehende und kettenrauchende Poet Mahmoud Harbi, spontane Verse ins Ohr raunt, gibt sich Omar Souleyman während seines Vortrags betont kühl. Ein Mann hat schließlich einen gewissen Anwert und sollte sich nicht lächerlich machen. Das Publikum dreht innerlich im Gleichschritt durch.

MonkeytownRecords

Mittlerweile hat Omar Souleyman, der kriegsbedingt längst jenseits der syrischen Grenze in der Türkei wohnt und sich politisch nicht äußern will, seit 2011 zwei Tonträger für den westlichen Markt produziert, Leh Jani und zuletzt 2013 das international bejubelte Wenu Wenu. Er hat einen Remix für Trend-Staubsaugerin Björk produziert und trat bei der Friedensnobelpreis-Verleihung 2013 in Oslo auf.

Liebe und gute Zeit

Er war bei allen wichtigen Pop- und Avantgardefestivals der Welt zu Gast und lässt sich nun auch auf dem neuen Album Bahdeni Nami (Monkeytown Records) wieder von Elektronik-Kapazundern wie dem Briten Four Tet und Modeselektor aus Berlin oder DJ-Legende Gilles Peterson unter die Arme greifen. Die Beats mögen zwar im Studio etwas kräftiger ausfallen als früher über die Wirtshausanlagen. An der Musik hat sich allerdings nichts geändert. Warum auch? Es geht um Liebe und eine gute Zeit. Der Saal geht durch die Decke. (Christian Schachinger, 7.8.2015)