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Der Steirer Robert Almer hat vor, auch mit der Wiener Austria international zu spielen. Im Nationalteam ist das eine Selbstverständlichkeit.

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STANDARD: Wie ist das Gefühl, seinen Beruf regelmäßig ausüben zu können, die Nummer eins im Tor zu sein?

Almer: Ausgeübt habe ich den Beruf trotzdem. Im Training. Aber es ist logischerweise angenehmer zu spielen, als die Bank zu drücken. Und es macht doppelt Spaß, wenn du gewinnst, wenn die Mannschaft funktioniert.

STANDARD: Merken Sie eine persönliche Veränderung, eine Form von Entkrampfung?

Almer: Nein, das nicht. Man arbeitet ja trotzdem immer auf das Ziel hin. In Deutschland war es auch nicht so, dass ich mir gesagt habe, ich bereite mich eigentlich nur auf die österreichische Nationalmannschaft vor. Man versucht, sich unter der Woche weiterzuentwickeln. Es kann schnell gehen, du musst jederzeit bereit sein. Ich bin jetzt als Stammkeeper kein anderer Mensch. Genießt du das Vertrauen des Trainers, ist es einfacher, du wirst lockerer, freier.

STANDARD: Ist die Austria für Sie Endstation oder Zwischenstation?

Almer: Es ist alles offen, ich bin noch nicht so alt. Meine Familie fühlt sich wohl in Wien. Die Austria hat einiges vor, wir wollen die letzten zwei Jahre vergessen machen, international spielen. Ich halte wenig von diesem Transferwahn. Die Jungen lassen sich leicht verrückt machen. Man soll sich auf die Gegenwart konzentrieren. Ich schließe nichts aus, weiß aber, dass die Austria eine tolle Adresse ist. Das beruhigt.

STANDARD: Es gibt das Klischee, dass gute Torleute einen leichten Hieb haben müssen.

Almer: Damit kann ich nicht dienen. Mir wurde mitunter vorgeworfen, dass ich nicht dieses Tormanntypische habe. Aber ich verbiege und verstelle mich für niemanden. Ich habe als normaler Mensch meine Ziele erreicht.

STANDARD: Thorsten Fink hat Sie zum Kapitän gemacht. Weil Sie alle Voraussetzungen mitbringen. Was muss ein Kapitän haben?

Almer: Ruhe, Respekt, Erfahrung. Selbstbewusstsein, soziale Kompetenz. Es ist aber nicht so wichtig, wer die Schleife trägt. Es bringt nichts, Kapitän einer leisen Mannschaft zu sein. Jeder muss Verantwortung übernehmen, Kommandos geben. Hat einer Probleme, helfe ich ihm natürlich gerne.

STANDARD: Ihr Können ist unumstritten, trotzdem konnten Sie es nur im Team zeigen. Sie hatten in den vergangenen Jahren mehr Länder- als Vereinsspiele.

Almer: Jetzt nicht mehr, durch die Partien gegen WAC und Altach hat die Austria das Team überholt.

STANDARD: Eine skurrile Situation.

Almer: Der Argentinier Romero hat bei seinen Vereinen auch kaum gespielt. Ich glaube nicht, dass es an der Qualität liegt. Deutschland ist ein anderes Pflaster, die Dichte ist enorm, die anderen Torleute sind keine Nasenbohrer. Das war in Düsseldorf, in Cottbus und in Hannover der Fall.

STANDARD: Bereuen Sie diese drei Stationen in Deutschland?

Almer: Nein, man nimmt von überall etwas mit.

STANDARD: Was haben Sie gelernt?

Almer: Deutschland ist eine andere Hausnummer, mit Österreich nicht vergleichbar. Speziell in der ersten Liga haben die kleinsten Klubs so ein Stadion, wie es Rapid haben wird. Alles ist größer, es ist mehr Geld vorhanden. Man sieht es auch im Nationalteam. Die Spieler, die in Deutschland arbeiten, haben ein anderes Auftreten, eine andere Selbstverständlichkeit.

STANDARD: Hat Sie das Vertrauen von Teamchef Marcel Koller überrascht oder gar verblüfft?

Almer: Da bin ich ihm sehr dankbar, es ist etwas Besonderes, ohne Matchpraxis gesetzt zu sein. Aber es gab auch andere Beispiele, Marc Janko oder Christian Fuchs. Man muss dieses Vertrauen zurückzahlen. Machst du Fehler über Fehler, kann das der Trainer irgendwann nicht mehr rechtfertigen.

STANDARD: Das muss für Sie ein enormer Druck gewesen sein.

Almer: Ja, aber das musst du ausblenden können. Man geht vielleicht weniger Risiko ein, etwa bei Rückpässen oder der Spieleröffnung, du wählst die Sicherheitsvariante. Weil dir klar ist, dass du dir keinen Fehler leisten kannst. Ich habe in 22 Länderspielen kein richtiges Steirertor kassiert.

STANDARD: Was passiert da momentan im österreichischen Fußball? Das Team ist die Nummer 14 der Weltrangliste, die Vereine schlagen sich wacker, es ist ein richtiger Hype entstanden. Die Spiele gegen Moldau und Liechtenstein sind ausverkauft. Das Raunzen scheint abgeschafft zu sein.

Almer: Das Raunzen gibt es noch. Aber es wird weniger. Ich merke das bei der Austria, die Mentalität ändert sich. Die Nachwuchsarbeit greift. Im Nationalteam passt die Mischung. Es gibt Jüngere, es gibt Ältere, wir haben Exzentriker wie den Marko Arnautovic, der sich hervorragend beteiligt. Wir müssen darauf achten, dass in den nächsten Jahren, wenn Spieler wegfallen, die Positionen nachbesetzt werden können. Da bin ich zuversichtlich. Es gibt für einen jungen Spieler kein Patentrezept. Es an die Spitze zu schaffen ist eine sehr individuelle Geschichte.

STANDARD: Ist der Erfolg eine Momentaufnahme oder doch etwas Dauerhaftes?

Almer: Ich hoffe, es wird etwas Dauerhaftes. Wir müssen den Weg weitergehen, die Art unseres Fußballs beibehalten und entwickeln, die Fans auf die Reise mitnehmen.

STANDARD: Sie dürfen nicht sagen, dass Österreich für die EM in Frankreich qualifiziert ist.

Almer: Ich sage, dass wir aus vier Partien vier Punkte brauchen.

STANDARD: Ist es trotzdem ein Wechselbad der Gefühle? Die Austria gastiert am Samstag in Grödig, dort herrscht eher Tristesse.

Almer: Als Profi musst du in der Lage sein, diese konträren Geschichten wegzublenden. Für mich ist es egal, ob ich vor 70 oder 70.000 Zuschauern auflaufe.

STANDARD: Am Mittwoch steigt das Wiener Derby. Nicht zuletzt ihr Trainer Fink hat behauptet, dass Rapid um mindestens zwei Jahre voraus ist. Stimmen Sie dem zu?

Almer: Ja, klar. Bei der Austria hat in den vergangenen zwei Jahren wenig funktioniert. Rapid konnte die Mannschaft halten, ist eingespielt, die Automatismen klappen. So weit sind wir nicht, das braucht Zeit.

STANDARD: Hat Sie Rapids 3:2-Sieg bei Ajax Amsterdam erstaunt?

Almer: Schon, eine sehr gute Leistung. Andererseits hat Ajax nichts zusammengebracht.

STANDARD: Muss ein Austria-Kapitän sagen, dass ein Derby eigene Gesetze hat?

Almer: Ich weiß es nicht, es ist ja erst mein zweites. Für die Fans ist es ein eigenes Spiel. Als Beteiligter musst du so reingehen, als wäre es ein ganz normales Match. Es bringt nichts, wenn ich voll aufgezuckert bin und nach fünf Minuten ausgeschlossen werde. Jeder Spieler muss mit der nötigen Cleverness auf den Platz gehen. Generell, nicht nur im Derby. (Christian Hackl, 8.8.2015)