"Anreize schaffen" für Väterkarenz reicht offenbar nicht: Fakten müssen geschaffen werden, die bequeme Alternativen versperren.

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Wenn in einem Wiener Wohnhaus die Wasserzähler ausgetauscht werden müssen, liest sich der Informationsbrief der beauftragten Firma so: Man habe am Soundsovielten den Zugang zur Wohnung von 8.30 Uhr bis 12.30 Uhr sicherzustellen. Punkt.

Eine Mail an besagte Firma, dass es aus beruflichen Gründen nicht möglich sei, einen halben Tag daheim Däumchen zu drehen, während man auf den Wasserzähler warte, wird vom Firmenchef persönlich mit der Bemerkung gekontert, es sei leider nicht möglich, auf die Wünsche bestimmter Berufsgruppen einzugehen, man werde sich aber bemühen, gleich in der Früh vorbeizuschauen.

Sehr lieb, danke, aber wieder Gegenfrage: Auf Berufstätigkeit an sich kann die Firma auch nicht eingehen? Geht sie automatisch davon aus, dass immer jemand (im Klartext: die Hausfrau) daheim ist und nur darauf wartet, von einem Professionisten zum Türaufsperren gebraucht zu werden? Keine Antwort.

Vorstellungswelten

So ist das, auch im ach so fortschrittlichen Wien. Ein – bestimmt erfolgreicher – mittelständischer Unternehmer kann in seiner Vorstellungswelt nicht unterbringen, dass in einem Haushalt mit vier Personen zwei davon voll berufstätig sind. Die Fantasie schlägt Kapriolen: Man kann sich plötzlich lebhaft vorstellen, wie besagter Firmenchef reagiert, wenn einer seiner männlichen Angestellten sagt, er wolle gerne in Karenz gehen – womöglich länger als zwei Monate, wie es im kürzestmöglichen österreichischen Modell, "Zwölf plus zwei", vorgesehen ist.

Dann wiederum muss man sich nicht mehr wundern, dass bei der jüngsten Studie der Wirtschaftsuniversität herauskommt, was herauskommt: dass nämlich in Österreich nur 20 Prozent aller Männer von der Möglichkeit der Elternkarenz Gebrauch machen. In Island sind es 84 Prozent.

Forscherin Helene Dearing hat mit ihrer Interpretation bestimmt recht, dass die sehr langen Karenzvarianten (die längste 30 plus 6 Monate) ein "Karrierekiller" sind – vor allem für Frauen, weil es eben zumeist sie sind, die daheimbleiben. Und die österreichische Art der Karenz Vätern eigentlich signalisiere, "nur ein Feigenblatt" für die Statistik zu sein.

Keine Idee von Gleichstellung 2.1

Aber das ist wohl nur ein Teil der Wahrheit. Der andere Teil ist, dass Österreich eben so ist, wie es ist. Dass viele Unternehmer und Firmenchefs nicht einmal im Ansatz eine Idee von Gleichstellung 2.1 haben. Und weil das so ist, getraut sich weder ihre Interessenvertretung noch die Wirtschaftspartei ÖVP, Gesetze zu schaffen, die diese Herren zwingen, gedanklich in die Gegenwart zu übersiedeln. Die selbst modern und liberal denkende Familienministerin Sophie Karmasin kommt um diesen elenden, ewigen Spagat nicht herum: einerseits Gleichstellung und Frauenkarrieren fördern wollen, andererseits "die Wirtschaft" nicht verärgern dürfen.

Die SPÖ will Letzteres genauso wenig und lässt daher die Frauenministerin traditionell alleine mit diesem Thema. Das Ergebnis sieht man in jeder Einkommensstudie: Die Schere zwischen Männern und Frauen, sie klafft und klafft und klafft.

Das ist, man kann es nicht oft genug schreiben, mühsam und wahnsinnig unbefriedigend. "Anreize für Väter schaffen", wie das Karmasin nun wieder machen möchte, funktioniert seit Jahrzehnten nicht. Fakten müssen geschaffen werden, am besten gesetzlich. Damit die Herren – auf der Arbeitgeber- und auf der Arbeitnehmerseite – keine für sie bequeme Alternative haben. Sonst wird sich, auch zum Nachteil für den Wirtschaftsstandort Österreich, nie etwas ändern. (Petra Stuiber, 12.8.2015)