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Cool, flexibel und gut bezahlt: Pflege braucht Rahmenbedingungen, keine Aufopferung.

Foto: APA/Barbara Gindl

Der Ruf nach der "Schwester" aus dem Krankenzimmer ist noch immer gang und gäbe. Er geht auf Zeiten zurück, als Kranke überwiegend von Ordensschwestern versorgt wurden. Selbstlos und aufopfernd. Ein Bild, mit dem sich Menschen in Gesundheitsberufen immer seltener identifizieren. Schon gar nicht die Männer. 56.747 Menschen waren 2013 mit Pflegetätigkeiten in Österreichs Krankenanstalten beschäftigt.

Deutliche Unterschiede zeigen sich etwa im gehobenen Dienst für Gesundheitspflege, in dem 48.502 Frauen 8.245 männlichen Pflegern gegenüberstehen. In der Pflegehilfe und bei den Sanitätshilfsdiensten sind Frauen (9.709) fast doppelt so oft vertreten als Männer (4.939). Im privaten Gesundheits- und Sozialsektor arbeiten rund 80 Prozent Frauen. Und auch als pflegende Angehörige sind Frauen in der Überzahl. Genaue Zahlen gibt es nicht, Schätzungen zufolge sind es 70 bis 80 Prozent.

Dass sie selbst pflegen, sichert ihnen aber keineswegs, selbst einmal gepflegt zu werden: Drei Viertel der über 60-jährigen Männer werden von ihren Partnerinnen gepflegt, doch nur in einem Drittel der Fälle werden Frauen von ihrem Partner versorgt. Frauen werden entweder von Töchtern, Schwiegertöchtern, sonstigen Verwandten oder sozialen Diensten betreut, in denen wiederum vorwiegend Frauen arbeiten.

Teilzeit heißt nicht Vereinbarkeit

Und die Sorgearbeit geht für Frauen zu Hause weiter. Der Begriff Care- bzw. Sorgearbeit umfasst bezahlte sowie unbezahlte personennahe, fürsorgliche Dienstleistungen. Zwar haben biologistische Erklärungsmuster, nach denen Frauen für Sorgearbeit schlicht besser geeignet seien, weitgehend ausgedient. Trotzdem bewegt sich an der bestehenden Arbeitsteilung wenig.

Familienministerin Sophie Karmasin präsentierte im Juni eine Studie, für die Beschäftigte in Krankenhäusern, Pflege und Altenheimen zu Vereinbarkeit in Gesundheits- und Pflegeberufen befragt wurden.

Auch Personalverantwortliche wurden um ihre Einschätzungen gebeten. Zwar rangiert der respektvolle Umgang für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf Platz eins bei den Faktoren für Motivation, auf Platz zwei und drei folgen aber schon faire Arbeitszeitregelungen und Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Während die Relevanz dieser Themen von Personalverantwortlichen und Pflegepersonal ähnlich eingeschätzt wurde, klaffte beim Thema Gehalt eine Differenz: 60 Prozent der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gaben das Gehalt als sehr wichtigen Motivationsfaktor an, bei den Personalverantwortlichen waren es nur 35 Prozent.

Krasser Personalmangel

Die Arbeiterkammer forderte in ihrer Reaktion auf die Studie höhere Löhne. Die Belastung in Pflegeberufen sei im Vergleich zu anderen Berufen besonders hoch, und der hohe Teilzeitanteil im Pflegebereich dürfe nicht mit Vereinbarkeit gleichgesetzt werden. "Es herrscht permanenter Personalmangel, was oft kurzfristiges Einspringen erfordert – und das ist alles andere als familienfreundlich", sagt Ingrid Moritz von der Arbeiterkammer, wo sie für die Bereiche Frauen und Familie zuständig ist.

Ändern muss sich laut Ulrike Papouschek auch die gesellschaftliche Anerkennung. Die Soziologin forscht bei der Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt (Forba) zur Situation von Pflegekräften. "Die Arbeitsbelastung ist hoch, die Anerkennung niedrig, das Einkommen nicht berauschend." Wenn sich daran etwas ändert, könnte auch das Geschlechterverhältnis ausgeglichener werden.

Das Problem des Personalmangels droht sich indes angesichts der demografischen Entwicklung zu verschärfen. Der Bevölkerungsanteil von Menschen im Alter von 65 plus wird von 17,9 Prozent im Jahr 2012 auf 24 Prozent im Jahr 2013 ansteigen, während sich in diesem Zeitraum der prozentuale Anteil der unter 20-Jährigen von 20,2 auf 19,1 reduzieren wird.

Es geht sich nicht aus

Im Gesundheitsministerium sieht man durch die geplante Änderung der Ausbildung im gehobenen Dienst, die gänzlich an Fachhochschulen und Universitäten stattfinden soll, die Weichen für mehr Interesse an dem Job gestellt – auch für Männer. "Das Bild der dienenden, aufopfernden 'Schwester' ist im Umbruch", heißt es.

Für eine Aufwertung wären auch klare Kompetenzen Voraussetzung, so werde etwa das Berufsbild der Pflegehelferinnen überarbeitet, das keine hauswirtschaftlichen und organisatorischen Tätigkeiten mehr beinhalten soll.

Für Ingrid Mairhuber, die bei Forba über den informellen Pflegebereich forscht, steht allerdings fest, dass man sich zu wenig auf die gesellschaftliche Entwicklung einstellt. "In Österreich hat die Politik noch immer die Haltung, Angehörige tragen die Hauptlast, und wir unterstützen", kritisiert sie und betont, dass gleichzeitig von Frauen gefordert wird, künftig später in Pension zu gehen und Vollzeit zu arbeiten, "das kann sich nicht ausgehen".

Mehr Flexibilität

Dass der Bund seit 2009 die Pensionsversicherungskosten bei einem pflegebedingten Jobausstieg vollständig übernimmt, würde Frauen in die Langzeitpflege und aus der Berufstätigkeit drängen. Klüger wären die seit 2014 existierenden Möglichkeiten zur Pflegekarenz oder Pflegeteilzeit. "In dieser Auszeit kann man sich um die Organisation einer Pflege kümmern, und man steigt nicht langfristig aus dem Job aus", sagt sie. Voraussetzung sei, dass es genügend Angebot gibt: von mobiler Krankenpflege bis hin zu teilstationären Einrichtungen.

Mehr Anerkennung der Pflegeberufe, mehr Personal und mehr männliche Kräfte – in der bezahlten wie auch unbezahlten Sorgearbeit – könnten die Situation entschärfen. Das erfordert nichts Geringeres, als die bestehende Arbeitsteilung aufzubrechen. Es könnte also noch ein weiter Weg werden. (Beate Hausbichler, Cure, 11.9.2015)