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Ein Anhänger General Haftars fordert Unterstützung gegen den IS.

Foto: Reuters/Fetori

Sirte/Bengasi – Bei Gefechten zwischen bewaffneten Einheimischen und Kämpfern der Jihadistenorganisation "Islamischer Staat" (IS) sind im libyschen Sirte seit Wochenbeginn zahlreiche Menschen getötet und verletzt worden. Es gebe 150 bis 200 Opfer, sagte Libyens Botschafter in Frankreich, Tshibani Abuhamoud, am Freitag. Ein Vertreter der lokalen Behörden sprach von einem "wahren Krieg".

Sirte liegt im Norden des nordafrikanischen Landes. Die Stadt gilt als Geburtsort des früheren Machthabers Muammar al-Gaddafi. In Sirte ereigne sich ein "Massaker", sagte Botschafter Abuhamoud. Er rief die internationale Gemeinschaft zum Eingreifen auf. Die Kämpfe brachen demnach zu Beginn der Woche aus, nachdem der IS zu Beginn der Woche einen einflussreichen Imam getötet hatte. Die international nicht anerkannte Regierung in Tripolis hatte zuvor eine Offensive zur Rückeroberung der Stadt angekündigt, die seit Juni unter Kontrolle der Jihadisten steht.

Auch in Bengasi kam es lokalen Medienberichten sowie Schilderungen von Einwohnern zufolge zu heftigen Gefechten. In Bengasi, das im Osten des Landes liegt, griffen demnach die IS-Extremisten Einheiten an, die der international anerkannten Regierung treu sind. Bei den Attacken kamen nach Angaben von Bewohnern und Sanitätern fünf Soldaten ums Leben. Die radikalsunnitischen IS-Kämpfer hätten auch einen Panzer und drei Militärfahrzeuge zerstört.

Kampf um Stadtviertel

In der Stadt Sirte, die etwa 370 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Tripolis liegt, tobten bis Freitag nach Berichten von Einwohnern Kämpfe zwischen den IS-Fanatikern und rivalisierenden Salafisten, die auch aus der Bevölkerung Unterstützung erhielten. Die IS-Jihadisten sollen schließlich ein Viertel zurückerobert haben, das die Salafisten und die bewaffneten Einwohner hätten erstürmen wollen.

Demgegenüber war in anderen Quellen von insgesamt mindestens 106 Toten innerhalb von drei Tagen in Sirte die Rede. Der Nachrichtensender Al-Arabiya berief sich bei Angabe der Anzahl auf offizielle Kreise. Die meisten Opfer gehörten demnach der Fershan-Familie an, die sich geweigert habe, sich den IS-Jihadisten zu unterwerfen. Zudem haben IS-Extremisten laut Medien am Freitag ein Blutbad in einer Klinik angerichtet. Demnach stürmten sie ein Krankenhaus und töteten 22 verletzte rivalisierende Milizionäre, deren Leichname sie anschließend verstümmelten. Die Klinik setzten sie in Brand, berichtete etwa das Nachrichtenportal "Al-Wasat".

Seit Mittwoch toben in Sirte, der Heimatstadt des 2011 gestürzten libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi, heftige Kämpfe zwischen lokalen Stammesangehörigen und IS-Extremisten. Die Extremisten hatten bereits im Februar weite Teile der Stadt, 450 Kilometer östlich von Tripolis, erobert und die Stadt im Mai komplett unter ihre Kontrolle gebracht. Die Jihadisten nutzen das Machtvakuum in dem ölreichen Land aus, wo sich zwei Regierungen und zahlreiche Milizen gegenseitig bekämpfen.

Der Chef der international anerkannten libyschen Regierung in Tobruk, Abdullah al-Thinni (al-Thani), warf den radikalsunnitischen IS-Extremisten in einer in der Nacht auf Freitag veröffentlichten Erklärung indes vor, einen Völkermord zu verüben. Er rief die Vereinten Nationen auf, das 2011 gegen Libyen verhängte Waffenembargo aufzuheben.

Vier Jahre nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi ist das ölreiche Libyen im Chaos versunken. Zwei Regierungen, frühere Rebellen und radikale Islamisten kämpfen um die Macht. Vermittlungsversuche der Vereinten Nationen blieben bisher erfolglos. (APA, 14.8.2015)