Verirren sich in einem Labyrinth der falschen Fährten: Lilith Stangenberg und Florian David Fitz als investigative Journalisten.

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Trailer.

Thimfilm Filmverleih

Wien – Seine Tagebücher über den Afghanistan-Krieg findet sie richtig gut. Fabian Groys (Florian David Fitz) hat den Einsatz der deutschen Bundeswehr am Hindukusch begleitet. Er ist ein Journalist, wie man ihn sich vorstellt, wenn man keinen kennt: Bereits auf dem Weg ins Büro der politischen Wochenzeitung, bei der er einen Ruf als Aufdecker genießt und eine steile Karriere vor sich hat, führt er wichtige Telefonate in seinem silbergrauen Porsche.

Der Stress gehört für ihn zur Routine. Statt um Freunde oder gar Familie kümmert er sich um einen Nager: Hamster brauchen wenig Aufmerksamkeit und sind nachtaktiv. Bei der morgendlichen Pressekonferenz des Verteidigungsministeriums trifft er einen Kontaktmann, der ihm Unterlagen zuspielt. Kurz darauf stellt ihm der Chef seine neue Praktikantin Nadja (Lilith Stangenberg) vor. Seine Tagebücher mögen gut gewesen sein, meint Groys, aber das ist nicht der Punkt. "Man ist immer nur so gut wie seine letzte Geschichte."

Groys hat sich einen arroganten und abgeklärten Lebensstil angeeignet, von dem man nicht weiß, ob er ihn freiwillig gewählt hat. Denn seine lässige Getriebenheit dient immer auch der Selbstvergewisserung. Er sieht sich nicht als die kontrollierende Instanz der Mächtigen aus Politik und Wirtschaft, um seine Wahrheit deren Machenschaften entgegenzusetzen. Denn diese Wahrheit, das weiß Groys, könnte nur eine weitere Lüge der Sieger sein.

Unsichtbare Gegner

Die Lügen der Sieger heißt denn auch dieser Film von Christoph Hochhäusler, benannt nach einem Zitat des politisch wachsamen US-Autors Lawrence Ferlinghetti, das man erst am Ende zu lesen bekommt: "Geschichte wird gemacht aus den Lügen der Sieger." Das ist als Nachtrag zu verstehen, als ironischer Kommentar, der sich an alle Leichtgläubigen richtet. Und so will auch dieser Film verstanden werden – als ein weiteres Kapitel im endlosen Buch der großen Desillusionierung, das im Kino in den 70er-Jahren mit Paranoiathrillern wie Alan J. Pakulas The Parallax View geschrieben wurde. Das waren jene Jahre, als den hemdsärmeligen Journalisten im Kino noch eine investigative Macht zugestanden wurde, mit der sogar die Watergate-Affäre aufzuklären möglich war. Von solchen Methoden kann heute nicht mehr die Rede sein: Die Gegner sind im digitalen Zeitalter längst so unsichtbar geworden wie die Fronten unklar.

Die Lügen der Sieger, den Hochhäusler gemeinsam mit Ulrich Peltzer – seinem Koautor von Unter dir die Stadt, einem verstörenden Liebesdrama aus der Frankfurter Finanzwelt – geschrieben hat, legt von Beginn an solche Fährten, die davon zeugen, dass Groys nach Puppen jagt, während die Spieler mit den Fäden in der Hand für ihn unerreichbar bleiben. Seine Treffen mit Verbindungsmännern sieht man als Überwachungsbilder einer Videokamera; ein Lobbyist wird für ein Treffen mit dem Minister gecoacht; ein Mann, der bei einer Recyclingfirma für Giftstoffe gearbeitet hat, stürzt sich im Zoo von Gelsenkirchen ins Löwengehege. Hat sein Tod mit einer möglichen "schwarzen Kasse" der Bundeswehr zu tun, und diese wiederum mit der Novellierung einer Richtlinie für Gefahrenstoffe, die im Bundestag ansteht?

Latente Bedrohung

Je undurchschaubarer dieses Szenario wird, desto weiter werden die Wege des ermittelnden Journalistenpaars, das sich dabei entsprechend näherkommt. Während die Drahtzieher wie in einer Kommandozentrale agieren und ihren Spielraum maximal ausnutzen, kämpft Groys an Scheinfronten. Die Kamera von Reinhold Vorschneider leistet dabei effektvoll Unterstützung: Rundumschwenks und Spiegelungen in glatten Oberflächen simulieren ein Szenario der latenten Bedrohung, aus dem ein Ausweg immer weniger wahrscheinlich wird.

Es sei ihm darum gegangen, den Überblick zu verweigern, so Hochhäusler, und in dieser Hinsicht erfüllt Die Lügen der Sieger als deutscher Politthriller mit seiner Bildsprache und Erzählung die Vorgabe des amerikanischen Genrekinos nahezu perfekt – auf die Gefahr hin, dass man seinem Helden so teilnahmslos zusieht wie dessen Hamster im Laufrad.

Wie sagt Humphrey Bogart in dem Ausschnitt aus Deadline, den man vor der Veröffentlichung von Groys' großer Story zu sehen bekommt: "That's the press, baby, the press, and there's nothing you can do about it." (Michael Pekler, 18.8.2015)