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Wieder Spieler werden statt Spielball sein...

Foto: apa / dpa

In vertrauteren Gesprächen wird schnell deutlich, aus welcher Richtung der Wind der Belastung pfeift. Im Beruf macht der unaufhaltsame Anstieg der Anforderungen Unternehmern wie Arbeitnehmern gleichermaßen zu schaffen. Da will die permanente Notwendigkeit zur Neuorientierung gemeistert werden. Der Wettbewerbsdruck, der von den Märkten ausgehende ebenso wie der zwischenmenschliche, fordert seinen Tribut an Kräften. Die Frage nach der Sicherheit des Arbeitsplatzes tickt immer lauter im Kopf. Kurzum, da ist so einiges, was auf Trab hält, verkraftet und weggesteckt werden muss.

"Doch wäre es nur der Beruf" – ein Seufzer, der immer öfter zu hören ist. Auch das Stück, das – natürlich auch das Berufliche beeinflussend – auf der gesamtgesellschaftlichen Bühne gespielt wird, lässt Geist und Seele nicht zur Ruhe kommen. Die Instabilität der Verhältnisse, deren Unberechenbarkeit, die daraus erwachsende Verunsicherung und Zukunftsunsicherheit. All das löst Unbehagen aus, macht Sorge, treibt innerlich um, leert oft bis zur Neige der Reserve den Kräftetank.

Nicht mehr Können

Das Gefühl, sich auf brüchigem Eis zu bewegen, bewegen zu müssen, und aus dieser inneren Bangigkeit heraus sich dennoch beherzt Tag für Tag dem Leben zu stellen, stellen zu müssen, führt augenscheinlich immer mehr Menschen in die Sackgasse des Empfindens, einfach nicht mehr zu können, nicht mehr weiter zu wissen, am Ende zu sein. Und – einfach auch nicht mehr zu wollen. Bedenklich, der häufig zu hörende Satz: "Es ist genug." Ein schlimmer Zustand. Gleichwohl nicht unbedingt ein zwangsläufiger. Wer sich in aussichtsloser Situation wähnt, muss nicht tatsächlich darin gefangen sein.

Im Gespräch mit Therapeuten fällt gar nicht so selten ein aufschlussreicher Satz: "Viele, die sich am Ende und in einer ausweglosen Situation wähnen, haben oft nur an der falschen Stelle nach dem Ausgang gesucht und sich so immer tiefer in den Sumpf der allmählich übermächtig werdenden Belastungen hineinverirrt."

Naheliegende Rettung

Diese Bemerkung macht zweierlei deutlich: Tatsächlich hoffnungslos sind die meisten Belastungssituationen offensichtlich nicht. Sie erscheinen vielfach nur so, weil der Druck der Situation den Blick zunehmend verengt und dadurch die Möglichkeiten, sich aus dieser Situation zu befreien, gar nicht wahrgenommen werden. So wie sich Menschen in eine Idee, eine Ideologie, ein Gestrüpp von Vorurteilen verrennen können, so können sie sich auch in die Annahme verrennen, Gefangene der Umstände zu sein, denen sie sich ausgesetzt fühlen. Und dadurch Körper, Geist und Seele bis zum völligen Zusammenbruch auslaugen.

Therapeuten sehen sich oft heftigen Angriffen ausgesetzt, deuten sie vorsichtig auf diese Möglichkeit hin. Selbst – zumindest mit – an etwas Schuld zu sein, auch wenn gerade in dieser Erkenntnis der Ausweg aus der Misere aufscheint, das will nur schwer in den Kopf. Und doch liegt genau darin die Chance, wieder freier durchatmen zu können, ruhiger zu schlafen, genussfähiger am Leben teilzunehmen. Kurzum: Lebenslust statt Lebenslast zu erleben.

Es geht nicht immer

Baron von Münchhausen, ja richtig, der bekannte Lügenbaron, versinkt auf einem Ritt im Morast: "Hier hätte ich unfehlbar umkommen müssen, wenn nicht die Stärke meines eigenen Armes mich an meinem eigenen Haarschopfe, samt dem Pferd, welches ich fest zwischen meine Knie schloss, wieder herausgezogen hätte." Die Stärke des eigenen Armes und der beherzte Zug am eigenen Schopf befreien beileibe nicht aus jeder vermeintlich ausweglosen Situation.

Auch in dieser Annahme kann man sich ebenso verschätzen wie in der Vermutung, absolut hilflos zu sein. Doch dazwischen liegt eine weite Wegstrecke gepflastert mit Möglichkeiten, wie sich das Gefühl, restlos unter den Dingen zu stehen und von ihnen erdrückt zu werden, wieder in das Empfinden (zurück)verwandeln lässt, Spieler anstatt Spielball unbeeinflussbarer Mächte zu sein.

Der Versuch, dieses Stück Weg zu erkunden, sich von diesem Ausflug animieren zu lassen, mit sich selbst, mit anderen und überhaupt mit allem, was der Tag so bringt, anders als bisher umzugehen, ist nur zu empfehlen. (Hartmut Volk, 24.8.2015)