Die Fähigkeiten sind in jedem Alter anders – es geht nicht um schlechter.

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Da sind die aufmüpfige Generation Y und die freiheitsliebenden Vertreter der Generation X. Und da die pflichtbewussten Babyboomer, für die Leistung mit Disziplin verbunden ist, und die individualistischen Millenniumskinder. Teilweise sind es vier Generationen, die in einem Unternehmen – nicht immer ganz konfliktfrei – zusammenarbeiten. Sie zu managen ist keine leichte Aufgabe. Die schöne Seite der Medaille: Vielfältige Altersstrukturen bedeuten auch eine bunte Mischung aus Fähig- und Fertigkeiten.

Jeweils andere Stärken

Denn wie eine aktuelle Studie zweier US-Wissenschafter zeigt, können Menschen in unterschiedlichen Lebensphasen mit unterschiedlichen geistigen Leistungen aufwarten.

In ihrem internetbasierten Experiment ließen Laura Germine von der Harvard Medical School und Joshua Hartshorne vom Massachusetts Institute of Technology mehrere Tausend Probanden kognitive Aufgaben erledigen. Zusätzlich analysierten sie bereits vorliegende Daten aus standardisierten IQ-Tests. Das Ergebnis: Jede Altersgruppe zeichnete sich durch Höchstleistungen auf einem anderen Gebiet aus.

Während Jugendliche durch eine besonders gute Merkfähigkeit auffielen, konnten Personen zwischen 20 und 30 Informationen besonders rasch verarbeiten. Um 1990 Geborene tun sich offenbar leichter damit, sich an Gesichter und Namen zu erinnern, sich Zahlenreihen und Zeichen zu merken, sie befinden sich in der Blütezeit ihres visuellen Erinnerungsvermögens (in der Studie getestet durch das Merken von Charakteren in Familienvideos).

In den 30ern scheint diese Kapazität zugunsten einer Fähigkeit, die die Wissenschafter als "working memory" bezeichnen, abzunehmen: Um 1980 Geborene zeigten sich im Onlinetest geschickter darin, Wortlisten und Bilder zu memorieren, geometrische Designs zu rekonstruieren, Puzzles zu komplettieren.

Empathische 40-er

Wie die Ergebnisse der Kognitionsstudie nahelegen, dürfte sich etwa in diesem Lebensabschnitt das Verständnis für größere Zusammenhänge herausbilden. Empathie und Soziabilität, das sind wiederum Fähigkeiten, die Menschen im mittleren Alter ausprägen – und die ihnen danach erhalten bleiben. "Wir konnten nachweisen, dass ältere Erwachsene eher darum bemüht sind, andere zu verstehen", sagen die Autoren. Mit Mitte 40 waren die getesteten Personen am besten darin, Emotionen allein durch das Betrachten einer Augenpartie zu deuten.

Weitere kognitive Alterserscheinungen sind ein gutes Allgemeinwissen und eine gute Auffassungsgabe. Über 50-Jährige können die Informationen, die sie im Laufe ihres Lebens gesammelt haben, offenbar effektiver einsetzen. Sie schnitten zudem beim Lösen arithmetischer Aufgaben besser ab.

Einen überdurchschnittlichen Wortschatz dokumentierten Hartshorne und Germine bei um 1945 Geborenen. Und von Generation zu Generation wird das Vokabular dieser Altersgruppe umfangreicher, wie Vergleiche mit dem älterem Datenmaterial zeigen. Hartshorne und Germine: "Entweder verbessert sich die Fähigkeit, sich noch im fortgeschrittenen Alter Worte merken zu können, oder wir werden, eher als früher, unser Leben lang mit neuem Vokabular konfrontiert." Die Wissenschafter werten die Ergebnisse als Resultat gesellschaftlicher Entwicklungen: Menschen arbeiten heute länger, ihre Arbeit sei häufiger intellektuell stimulierend.

Ein Leben lang gut im Job

Und was bedeuten diese Forschungsergebnisse für die Praxis? Organisationen sollten sich die jeweiligen Fähigkeiten aller Altersgruppen zunutze machen: "Es gibt, wie wir festgestellt haben, kein Alter, in dem Menschen kognitive Höchstleitungen in einem Großteil aller möglichen Bereiche erbringen", sagen Hartshorne und Germine.

Ihr Appell an Führungskräfte: "Sie sollten mit der Annahme vorsichtig sein, dass jemand nach einer gewissen Zeit nicht mehr besser in seinem Job werden kann. Denn es gibt zu viel, was wir noch nicht über die Entwicklung unterschiedlicher Fähigkeiten im Lebensverlauf wissen." (Lisa Breit, 25.8.2015)