Die Anwohner aus der Lázárstraße hielten sich die Ohren zu, als vor ihrer Haustür nacheinander drei Autos in die Luft flogen. Zum Glück wurde die Explosion im fünften Teil von "Stirb langsam" nur ein einziges Mal gedreht. "Sie musste auf Anhieb sitzen", erzählt Kinoguide Balázs Basa, "nicht wegen der Anrainer, sondern wegen der Kosten." Es handelte sich um nagelneue Luxuskarossen. Bei manchen Aufnahmen erhalten die Bewohner eine kleine Tagesgage als Entschädigung. Ein Vertrag regelt dann auch, ob sie während der Produktion überhaupt aus dem Fenster schauen dürfen oder die Rollos herunterlassen müssen.

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Die schmalen Gassen an der Budapester Oper eignen sich perfekt für den Dreh von Verfolgungsjagden.

Location-Manager lieben die Straßen an der Budapester Oper, weil sie verschiedene Stimmungen spiegeln. Beim Blick nach links, wo am Ende die Basilika zum Heiligen Stephan thront, könnte man in Moskau sein – wie Bruce Willis in besagtem Film. Rechter Hand fällt der Blick auf die Hintertüren der Oper. "Hier warf Antonio Banderas bei einer Massendemonstration in Buenos Aires den ersten Stein", beschreibt Basa eine Szene aus der Musicalverfilmung "Evita" von 1996.

Teure Originalstädte

Budapest spielt oft Städte wie Moskau, Rom oder sogar München – aber nur selten sich selbst. "Oft sind die Originale zu teuer, oder es gibt dort wenig Platz für Kameras", sagt Basa. Umgekehrt stammen die Innenszenen aus "Grand Budapest Hotel" gar nicht aus einem Hotel am Elizabethboulevard, sondern aus einem verlassenen Jugendstilhaus im deutschen Görlitz. Die Tragikomödie über eine Freundschaft zwischen Concierge und Page kam 2014 in die Kinos. Der Filmfreak Basa kennt viele solcher Details und hat deshalb zusammen mit zwei Partnern "Moviewalking" gegründet.

Beleuchtung und Perspektive stimmen. Budapest ist als Filmlocation äußerst gefragt.
Foto: Monika Hippe

Über 200 internationale Kinofilme haben Drehorte in Budapest, zu etlichen kann man mit Basa spazieren. Aktuell wird die nächste Dan-Brown-Adaption "Inferno" für das Erscheinungsjahr 2016 produziert. Tom Hanks rennt darin als Robert Langdon ohne Gedächtnis und im Schlafanzug aus dem Budapester Nationalmuseum, das ein florentinisches Krankenhaus darstellen soll. Basa kennt so gut wie alle Aufnahmen, die je in der Stadt gedreht wurden, und die dazugehörigen Filme.

Viertel für Verfolgungen

Bei älteren Streifen kann der Guide oft nicht mehr eruieren, wo sie spielen, weil sich die Kulisse verändert hat. "Genau hier will Brad Pitt einen Mann über die ostdeutsche Grenze schmuggeln", erzählt er und zeigt dazu Fotos aus dem Agententhriller "Spy Game." Die düster wirkende Passage im Viertel Gozsdu Udvar eignete sich lange Zeit perfekt für Verfolgungsjagden. Doch vor 15 Jahren wurde das Viertel renoviert. Heute reihen sich hier nette Restaurants und Bars aneinander.

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Das Wirtshaus Szimpla Kert wurde in einer ehemaligen Bauruine eingerichtet.

Eine Atmosphäre, die man sich gut in einem Psychothriller vorstellen kann, liefert das Wirtshaus Szimpla Kert – "einfacher Garten". Es wurde im jüdischen Viertel in einer ehemaligen Bauruine eingerichtet. In schummrigem Licht sitzt man vor bekritzelten Wänden in alten Autoreifen oder unter einer Trockenhaube aus den 1960er Jahren. Ein Pärchen hat es sich gerade in einer Badewanne als Couch bequem gemacht. Weil es auf den zwei Stockwerken dieses Lokals viel zu sehen gibt, finden auch Touristenführungen statt.

Äußerst beliebt als Kulisse sind die berühmten Thermalbäder: etwa das Széchényi-Bad mit seinem Kaiserflair oder das Rudas-Bad am Fuße des Gellertberges. In Letzterem prügelte sich Arnold Schwarzenegger in "Red Heat" mit seinen Widersachern rund um das türkische Becken – überzeichnete Szenen aus einem Spionagefilm. In der Zeit des Kommunismus traf man sich dort, um unbelauscht über Politik reden zu können. Noch heute ist Baden in Budapest der perfekte Rahmen für vertrauliche Gespräche: Anwälte beraten im Wasser gerne ihre Mandanten.

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Bäder wie das Széchényi bieten Filmteams eine besondere Kulisse.

Am anderen Donauufer liegt das neue Konferenzzentrum wie ein gestrandeter Wal. Sein Inneres musste gerade als Nasa-Zentrale herhalten – im Sci-Fi-Drama "Der Marsianer – Rettet Mark Watney". Die Romanverfilmung mit Matt Damon soll Anfang Oktober 2015 in die Kinos kommen. Wer durch Budapest spaziert, kann schon einmal auf ihn oder andere Schauspieler treffen. Die meisten würden sich dort unbeobachtet fühlen: "Sie werden hier längst nicht so von Autogrammjägern belagert wie in den USA", sagt Balázs Basa.

Bruce Willis verbrachte viel Zeit in Budapest. Hier ist er bei den Dreharbeiten zu "Stirb Langsam – Ein guter Tag zum Sterben" zu sehen.
Foto: © TCFHE, aus der DVD „Stirb Langsam – Ein guter Tag zum Sterben“

Bruce Willis mietete sich für längere Zeit eine Wohnung, um sich die Stadt genauer anzuschauen. Einmal langweilte er sich während der Dreharbeiten, ein Großteil der Zeit vergeht ja mit Warten auf Licht- und Kameraeinstellungen. Also verließ er das Set und betrat in seinem völlig verdreckten, zerrissenen Kostüm aus "Stirb langsam" ein nahes Schmuckgeschäft. Der Verkäufer sagte nur: "Bitte stellen Sie sich hinten an, ich habe gerade einen Kunden." Er wurde nie bedient.

Basa kennt viele solcher Geschichten. Bei den Arbeiten zum fünften Teil von "Stirb langsam" hatte Regisseur John Moore seine liebe Not mit den älteren Herrschaften unter den einheimischen Statisten. Als ein russischer Hubschrauber über dem Set kreiste, reckten sie andauernd die Köpfe gen Himmel. Sie waren verständlicherweise beunruhigt. In der Vergangenheit spielte Moskau ja auch eine Rolle in Budapest. (Monika Hippe, 25.8.2015)