Wien/St. Pölten – Das ORF-Hearing zur Besetzung von Leitungsfunktionen sorgt weiter für Diskussion und Irritation: Nachdem sich ORF-Chef Alexander Wrabetz erst am Wochenende kritisch zum derzeitigen Auswahlverfahren äußerte, findet am Mittwoch ein weiteres Hearing statt. Es geht um die Bestellung des Chefredakteurspostens im ORF-Landesstudio Niederösterreich, als aussichtsreichster Kandidat gilt Robert Ziegler.

Der "Niederösterreich heute"-Moderator ist Koordinator der Landesstudios in der ORF-Generaldirektion, bürgerlicher Zentralbetriebsrat und seit 2011 als schwarzer Belegschaftsvertreter im ORF-Stiftungsrat vertreten. Neben Ziegler stellt sich ein starkes Bewerberfeld dem Hearing: Judith Weissenböck und Robert Friess, beide arbeiten im niederösterreichischen Landesstudio als Chefs vom Dienst, oder Michael Battisti, derzeit Marketing-Leiter im ORF Niederösterreich, in der Vergangenheit Nachrichtenredakteur und Büroleiter von Ex-ORF-Chefin Monika Lindner, zählen neben etlichen weiteren Bewerbern zu Anwärtern auf den Posten.

Kritik: Kluger ein Personalwunsch der ÖVP

Abgenommen wird das Hearing von ORF Vorarlberg-Chefredakteur Gerd Endrich, ORF-Religionschef Gerhard Klein, ORF-Markforschungsleiterin Eva Sassmann und ORF Burgenland-Programmchefin Gaby Schwarz, die als sogenannte Assessoren fungieren. Rund um diese Beisitzer hatte es vor einigen Wochen im Fall der Besetzung von Radio-Wirtschaftschefs Rupert Kluger Aufregung gegebenen. Kluger sei ein Personalwunsch der ÖVP, die Assessoren im Hearing wurden nach dieser Vorgabe ausgewählt und zwei Beisitzer kurzfristig ausgetauscht, so die Kritik damals. Der Betriebsrat kündigte die Betriebsvereinbarung zur Abhaltung der Hearings deshalb auf.

ORF-Generaldirektor Wrabetz erklärte am Wochenende im STANDARD-Interview, dass er die Diskussion um Kluger zwar für "entbehrlich" halte, er sei sich mit der Belegschaftsvertretung aber darin einig, dass sich die Hearings "nicht gut entwickelt" haben. "Das muss man neu aufsetzen. Insofern bin ich ganz froh, dass der Betriebsrat diese Betriebsvereinbarung aufgekündigt hat", so Wrabetz.

Betriebsrat kritisiert "Bruch der Arbeitsverfassung"

Dass nun ein weiteres Hearing abgehalten wird, sorgt beim Betriebsrat für Kritik. "Es ist schon befremdend, ein Zeitungsinterview des Generaldirektors zu lesen, in dem er seinen eigenen Unmut über das Hearing-Wesen im ORF äußert, sich beim Betriebsrat für die Beendigung der entsprechenden Betriebsvereinbarung bedankt, und statt rasch mit der Belegschaftvertretung eine Reform des Prozederes zu verhandeln, trotzdem ein Hearing anordnet beziehungsweise zulässt", sagte Zentralbetriebsratsobmann Gerhard Moser am Montag auf APA-Anfrage. Die Belegschaftsvertretung sei über das neuerliche Hearing "nicht einmal informiert worden". Moser sprach von einem "Bruch der Arbeitsverfassung, denn Hearings sind sowohl Auswahl- als auch Personalbeurteilungsverfahren, und diese können nur auf Basis einer Betriebsvereinbarung stattfinden."

Unterlassungsklage steht im Raum

Der ORF-Betriebsrat fordert von Wrabetz nun die ersatzlose Absage des für Mittwoch angesetzten Auswahl-Hearings für den Chefredakteursposten im Landesstudio Niederösterreich. Sollte es zu keiner Absage kommen, will der Betriebsrat eine Unterlassungsklage beim Arbeits- und Sozialgericht einbringen.

Die ORF-Hearings sind derzeit nur ein Streitpunkt zwischen ORF-Geschäftsführung und Betriebsrat. Die Belegschaftsvertretung hatte die entsprechende Betriebsvereinbarung erst vor wenigen Wochen rund um die Bestellung des Radio-Wirtschaftschefs aufgekündigt. Seit Anfang August ist die Regelung außer Kraft. Für Zentralbetriebsratsobmann Gerhard Moser fehlt deshalb für weitere Hearings die Rechtsgrundlage laut Paragraf 96a Arbeitsverfassungsgesetz, wie er ORF-General Wrabetz am Montag in einem Brief mitteilte. Moser fordert die Absage, andernfalls werde es eine Unterlassungsklage geben.

In der ORF-Geschäftsführung nimmt man diese Ankündigung unterdessen gelassen und vertritt eine andere Rechtsmeinung: der Betriebsrat darf zwar laut Arbeitsverfassungsgesetz bei Personalbeurteilungen mitwirken, nicht aber bei Personalauswahlverfahren. Und ein solches stelle das Hearing dar. Es stehe der Geschäftsführung deshalb frei, bis zu einer Neuregelung des Verfahrens Hearings abzuhalten, so die Argumentation. Eine Absage sei kein Thema. Wenn das Arbeits- und Sozialgericht in der Causa eine Feststellung treffe, dann bringe das Rechtssicherheit und -klarheit für die Zukunft, hieß es aus dem Umfeld von ORF-Chef Wrabetz. (APA, 24.8.2015)