Wien – Soeben ist es 17 Uhr geworden. Helmut Klima lässt die Rollbalken bei seinem Stand auf dem Meidlinger Markt herunter. Es ist ein sonniger Tag, und eigentlich ist auch viel los am Markt im zwölften Wiener Gemeindebezirk. Dennoch zahle es sich im Sommer nicht aus, das Geschäft länger offen zu halten. Die Leute seien auf Urlaub, bedauert der Fischhändler. Und die Wetterbedingungen spielen nicht mit: "Wenn es warm ist, sind die Menschen im Schanigarten oder im Freibad, aber sicher nicht am Markt."

Die Stände in bunten Farben sind das Markenzeichen des Meidlinger Markts. Zwar gab es immer schon Gastrobetriebe, in den vergangenen Jahren hat die Zahl aber zugenommen. Nicht alle sind froh darüber.
Foto: Maria von Usslar

Bei Klima gibt es noch Lebendfisch – eine Rarität in Wien. Er betreibt den Fischstand in dritter Generation. Seine Kinder werden nicht in seine Fußstapfen treten. Die Einkaufsgewohnheiten seien heute anders als noch vor einigen Jahren. Außerdem haben die Supermärkte früher noch keinen Fisch verkauft. "Heute haben wir genau neben dem Markt den Interspar", deutet er auf den riesigen Betonklotz.

Der Supermarkt befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft des Markts.
Foto: Maria von Usslar

Klimas Fischstand ist eine Institution auf dem Meidlinger Markt. Der Markt liegt etwas versteckt zwischen Reschgasse und Niederhofstraße, nur wenige Gehminuten von der U-Bahn-Linie 6 entfernt. In den vergangenen Jahren hat sich einiges getan: Neben den alteingesessenen Betrieben – nicht nur Klimas Stand ist über die Grenzen Meidlings hinaus bekannt, sondern etwa auch der des Fleischhauers Nuran – bezogen immer mehr Gastrolokale die kleinen Marktstände. Den Anfang machte das Lokal Milchbart, das seit rund drei Jahren am Markt vertreten ist. Inhaber Christian Chvosta kauft die Zutaten für seine Gerichte direkt am Markt und lässt Kunden auf Facebook abstimmen, was er kochen soll. Im Milchbart lässt es sich auch gemütlich frühstücken oder weißen Spritzer mit Ribisel trinken.

Mittlerweile gibt es auch einen Stand für Craft-Beer und einen französischen Feinkostladen ("Anna am Meidlinger Markt"). Der Verein Purple Sheep betreibt am Meidlinger Markt sein Lokal Purple Eat. Hier kochen Asylwerber, die einen negativen Bescheid erhalten haben. Der Erlös kommt dem Verein zugute.

"Purple Eat" auf dem Meidlinger Markt.
Foto: Maria von Usslar

Das Alte und Neue verbinden – das hat sich die Initiative "Wir sind 12!" zum Ziel gesetzt. Der Verein ist in ganz Meidling aktiv, organisiert Kulturprojekte genauso wie Straßenfeste und will die Bewohner miteinander verbinden. Auf dem Markt setzen sich die Initiatoren dafür ein, dass der Handel bis 21 Uhr geöffnet haben darf, um mehr Geschäft machen zu können. Gastrobetriebe dürfen immerhin schon jetzt bis 23 Uhr offen halten.

"Gegen die Gentrifizierung ist eh kein Kraut gewachsen", sagt Vereinsmitglied Frank Placke auf die Frage, ob die Miete dann nicht teurer würde.

Die Marktstandler sollen länger geöffnet haben dürfen, fordert die Initiative "Wir sind 12!".
Foto: Maria von Usslar

Fischhändler Klima glaubt nicht, dass flexiblere Öffnungszeiten helfen: "Für das Geschäft an sich bringt es null. Das bringt nur der Gastronomie etwas. Man kauft keinen zweiten Fisch um zehn Uhr abends, aber ja, man haut sich vielleicht das zweite oder dritte Vierterl rein." Gastronutzer und Markteinkäufer – da handle es sich um eine komplett unterschiedliche Klientel, so Klima. Er bedauert, dass die Politik den Markt sehr lange vernachlässigt hat. "Jetzt ist es relativ spät. Der Markt ist tief unten. Es kann eh nur noch besser werden." Warum es weiterhin möglich sein sollte, auf Märkten einzukaufen? "Ich berate den Kunden. Ich suche mir meine Ware in der Früh beim Großhändler selber aus", führt Klima seinen Erfahrungsschatz an.

Die Initiative "Wir sind 12!" will trotzdem nicht aufgeben. Die neuen Lokale würden zur Belebung beitragen, ist Mitstreiterin Margit Huttar überzeugt. "Früher war der Markt komplett tot", das sei jetzt nicht mehr der Fall. (Rosa Winkler-Hermaden, 25.8.2015)