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Anhänger von Dilma Rousseffs Arbeiterpartei verfolgen eine Rede ihrer Präsidentin. 64 Prozent der Brasilianer fordern inzwischen ihren Rücktritt.

Foto: AP/Peres

Der Besuch der deutschen Kanzlerin Angela Merkel samt ihrer halben Regierungsmannschaft in Brasília dürfte Dilma Rousseff erfreut haben. Strahlend zeigte sich Brasiliens Präsidentin vergangene Woche an der Seite der laut "Forbes"-Liste mächtigsten Frau der Welt. Für einen Moment ging es nicht um ein drohendes Amtsenthebungsverfahren und um die Massenproteste gegen Rousseff, sondern um Weltpolitik mit Brasilien als wichtigem Akteur.

Brasilien durchlebt derzeit die größte Krise seit 20 Jahren. Die erst im Oktober vergangenen Jahres wiedergewählte Rousseff kämpft ums politische Überleben, ihre Regierung droht auseinanderzubrechen. Seit über einem Jahr laufen Ermittlungen im milliardenschweren Korruptionsskandal um den staatlich kontrollierten Ölkonzern Petrobas. Täglich kommen neue Details ans Licht, in die mehr als 50 Politiker der Regierungskoalition und aus dem Führungszirkel der regierenden Arbeiterpartei PT verstrickt sind.

Wirtschaftliche Krise

Viele Brasilianer machen Rousseffs Regierung für die sich verschlechternde ökonomische Situation und die politische Führungslosigkeit verantwortlich. Die Wirtschaftsleistung wird in diesem Jahr um 1,5 Prozent sinken, ohne Aussicht auf baldige Besserung. Um der stetig steigenden Inflation von rund 9,6 Prozent Einhalt zu gebieten, schraubte die Zentralbank jüngst den Leitzins auf das Rekordniveau von 14,25 Prozent hoch. Unternehmer halten sich seit vier Jahren mit Investitionen zurück, und auch der Binnenkonsum, bislang stärkster Pfeiler Brasiliens, brach in den letzten Monaten ein. Als Konsequenz verordneten viele Unternehmen wie die Autobauer VW und Ford im Bundesstaat São Paulo ihren Mitarbeitern Zwangsferien, um Massenentlassungen zu verhindern.

Auch der Druck der Straße auf Rousseff nimmt zu. Knapp 800.000 Menschen verlangten bei Massendemonstrationen vor einer Woche die Amtsenthebung der Präsidentin. Nur noch sieben Prozent der Brasilianer sind mit ihrer Regierungsführung zufrieden. Doch selbst Regierungskritiker müssen eingestehen, dass die juristischen Voraussetzungen für ein Amtsenthebungsverfahren derzeit nicht erfüllt sind. Rousseff müsste die Verwicklung in kriminelle Machenschaften nachgewiesen werden. Zudem ist eine Zweidrittelmehrheit im Abgeordnetenhaus und im Senat notwendig.

Kämpferischer Mentor

Rousseffs wichtigster Mentor, Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, setzt darauf, dass seine Nachfolgerin das Ruder noch herumreißen kann. Er ließ einen Plan ausarbeiten, der ihr das politische Überleben bis 2018 und ihm eine erfolgreiche erneute Kandidatur sichern soll. Aktiv wie lange nicht, reist er von einer Veranstaltung zur nächsten und verkündet Optimismus. "Dilma muss den Fuß auf die Straße setzen und mit den Menschen sprechen", riet er Rousseff öffentlich bei einer Rede vor Petrobras-Arbeitern.

Um in der schweren Krise ein Zeichen zum Bürokratieabbau zu setzen, will Rousseff nun zehn Ministerien abschaffen. Derzeit gibt es in Brasiliens Regierung neben dem Präsidialamt immerhin noch 38 weitere Ressorts. (Susann Kreutzmann aus São Paulo, 26.8.2015)