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US-Präsident Barack Obama wirbt auch öffentlich für den Iran-Deal – wie Anfang August an der American University in Washington.

Foto: APA / EPA / Pete Marovich

Dass Barack Obama nicht nur Golf spielte oder Fahrrad fuhr im Urlaub auf der Atlantikinsel Martha's Vineyard, ist kein Geheimnis. Obwohl es nette Bilder gab, die ihn samt Mountainbike auf schattigen Waldwegen zeigten. Der Präsident hat die Ferien auch genutzt, um schwankenden Abgeordneten ins Gewissen zu reden – Parteifreunden, für die das Atomabkommen mit dem Iran eine heikle Gratwanderung bedeutet.

Zumindest einen, Jerrold Nadler, einen Parlamentsveteranen aus New York, hat er nicht nur auf seine Seite gezogen, sondern auch dazu gebracht, öffentlich Farbe zu bekennen. Ein Schritt von symbolischer Bedeutung: Nadler, 68, ist in der Achtmillionenstadt der erste jüdisch-amerikanische Politiker von Rang, der dem Deal seinen Segen gibt. Ein anderer, Chuck Schumer, der demnächst die Führung der demokratischen Senatsfraktion übernehmen dürfte, hatte sich zuvor gegen die Abmachung ausgesprochen. Nadlers Ja war Obama so wichtig, dass er den Mann im Juli zu einem Vieraugengespräch ins Weiße Haus einlud.

Noch wagt niemand eine Prognose, wie es ausgeht, wenn der Kongress im September über die Einigung mit dem Iran entscheidet. Was sich abzeichnet, ist eine Zitterpartie für Obama, der das Vertragswerk als größten außenpolitischen Erfolg seiner Amtszeit verbucht und verhindern will, dass es von einer Zweidrittelmehrheit der Legislative ausgehebelt wird – von einer Mehrheit, gegen die er mit seinem Veto nichts ausrichten kann. Die Republikaner, in beiden Kammern tonangebend, lehnen das Papier mit wenigen Ausnahmen ab. Folglich dreht sich alles darum, ob die Regierung wenigstens in der eigenen Partei eine so deutliche Mehrheit bekommt, dass sie die Vereinbarung retten kann.

Chancen und Risiken

Es ist eine Debatte, in der es auch ums Technische geht, um Zentrifugen, Forschungslabors und Reaktoren. Doch in der Hauptsache geht es ums Grundsätzliche. Ob Amerika eine globale Führungsrolle beanspruchen kann, wenn es sich erst an die Spitze einer Sechs-Staaten-Allianz mit China, Russland, Frankreich, Großbritannien und Deutschland setzt und das Ergebnis dann im Unterholz seiner Innenpolitik scheitert. Es geht darum, wie die USA die Islamische Republik Iran sehen: als Staat mit regionalen Interessen, die den amerikanischen zwar oft zuwiderlaufen, dessen Akteure aber so rational handeln, dass man mit ihnen ins Geschäft kommen kann. Oder als unberechenbares Regime, das sich allenfalls in Nuancen unterscheidet von dem des Ayatollah Khomeini, als US-Diplomaten 444 Tage in Geiselhaft saßen und die Geistlichkeit den Export der Revolution predigte. Vor allem aber dreht sich der Diskurs um die Frage, was schwerer wiegt: die Chancen oder die Risiken.

Obama beschwört die Chancen, er hofft auf einen Wandel in Teheran, der die Gemäßigten stärkt, bis es irgendwann kein Thema mehr ist, dass der Iran lieber ein mittelöstliches Südkorea sein möchte als ein verarmtes, nuklear bewaffnetes Nordkorea. Dafür akzeptiert Obama eine Regelung, welche die atomare Infrastruktur weitgehend intakt lässt und das Risiko birgt, dass der Iran nach Ablauf des 15-jährigen Moratoriums in der Lage sein wird, in relativ kurzer Zeit eine Bombe zu bauen – falls seine Politiker es so entscheiden.

Moderate und Hardliner

Die Moderateren unter Obamas Kritikern sprechen von einem Wagnis, das sie nach Abwägung aller Faktoren nicht eingehen wollen. Hardliner halten es mit Ted Cruz: Sollte das Oval Office die Sanktionen aufheben, mache es sich zum wichtigsten Geldgeber des islamistischen Terrorismus, wettert der republikanische Präsidentschaftsbewerber aus Texas.

Einige der alten Strategen, auch konservative, ergreifen jedoch Partei für den Präsidenten. Brent Scowcroft, einst Sicherheitsberater von George Bush, warnt davor, eine historische Chance zu vergeben. Eine glaubwürdige Alternative zum erzielten Kompromiss gebe es nicht, doziert der 90-Jährige: "Wenn wir davonlaufen, dann laufen wir allein." Die Verbündeten wären schockiert, das Sanktionsregime würde zerbröseln, und kein Abgeordneter möge sich der Illusion hingeben, dass eine neue US-Invasion im Nahen Osten hilfreich wäre. (Frank Herrmann aus Washington, 26.8.2015)