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Will einen Grenzeinsatz "nicht herbeireden": Karl Schmidseder, Leiter der Sektion Einsatz im Verteidigungsministerium.

foto: apa / hans klaus techt

STANDARD: Nach monatelangem Ringen hat sich die Regierung geeinigt, dass auch das Bundesheer zur Betreuung von Asylwerbern eingesetzt wird. Eine Herausforderung für den Apparat – oder ohnehin oft erprobte Routine?

Schmidseder: Container aufzustellen, Menschen zu transportieren und eine große Anzahl an Personen zu verpflegen ist für uns nichts Neues. Aber auch wenn das ältere Kaderpersonal nicht das erste Mal mit Flüchtlingen zu tun hat: Für die große Masse an jüngeren Soldaten ist das freilich noch keine Routine.

STANDARD: Kommen bei den mehr als 500 dafür bereitgestellten Soldaten auch Grundwehrdiener zum Einsatz?

Schmidseder: Ich gehe davon aus, dass auch gemischte Verbände, und damit auch Rekruten, zu den Unterstützungsleistungen herangezogen werden – was aber nicht unbedingt heißen muss, dass sie dabei in Kontakt mit Flüchtlingen kommen.

STANDARD: Werden jene Soldaten, auf die das sehr wohl zutrifft, im Umgang mit den oft traumatisierten Flüchtlingen speziell instruiert?

Schmidseder: Dass das ein sensibles Thema ist, ist uns bewusst. Deshalb werden wir darauf achten, dass wir stets erfahrenes Personal dabei haben. Der Vorteil ist, dass viele unserer Soldaten schon in Auslandseinsätzen waren, wo unter anderem auch Flüchtlingslager aufgebaut wurden. Dadurch haben wir einen sorgsamen, aber professionellen Zugang zu Schutzsuchenden: nämlich dass unsere Leute fair und freundlich, aber auch bestimmt auftreten, wenn erforderlich. Klar ist aber auch, dass unsere Soldaten keine Waffen, keine Helme und auch keine Schutzausrüstung tragen, wenn sie mit Flüchtlingen zu tun haben.

STANDARD: Derzeit sind rund 800 Asylwerber in Kasernen untergebracht. Ihre bisherigen Erfahrungen mit der neuen Situation?

Schmidseder: Bis dato ist alles ruhig und friktionsfrei abgelaufen – allerdings gab es bisher auch kaum direkten Kontakt mit der Truppe, weil wir ja nur Teile militärischer Infrastruktur zur Nutzung freigegeben haben. In der Kaserne Freistadt etwa gibt es einen eigenen Block mit einem separaten Eingang für die Flüchtlinge, der vom Innenressort verwaltet wird.

STANDARD: Die Regierung schließt auch einen Assistenzeinsatz des Bundesheers an der Grenze nicht mehr aus. Was würde das konkret bringen außer mehr Aufgriffe von Flüchtlingen, die bei einem Asylantrag ohnehin ins Land dürfen – und die dann der Polizei übergeben werden?

Schmidseder: Die Entscheidung für einen derartigen Assistenzeinsatz ist eine politische Angelegenheit. Denn für eine sicherheitspolizeiliche Assistenz bräuchte es einen Beschluss der Regierung und dann eine detaillierte Behördenweisung des Innenministeriums, welche Exekutivbefugnisse die Soldaten tatsächlich hätten. Aber einen solchen Grenzeinsatz will ich nicht herbeireden.

STANDARD: Weil die Asylwerber derzeit ohnehin per Bahn oder von Schleppern in Kastenwägen gepfercht kommen – und nicht wie etwa in Serbien über die grüne Grenze nach Ungarn wollen?

Schmidseder: Sollte man im Innenministerium zu einer anderen Einschätzung und Entscheidung kommen, würde das Militär die Polizei an der Grenze unterstützen. Die Fähigkeiten dazu haben wir. Denn in der Sicherheitsdoktrin ist das Bundesheer ja als "strategische Handlungsreserve der Republik" definiert.

STANDARD: Weil Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und einige Landeshauptleute schon über einen zeitlich befristeten Asylstatus nachgedacht haben: Wie lange wird es wohl dauern, bis sich die Lage in Syrien oder im Irak beruhigt hat?

Schmidseder: Ich denke, dass man da einen längeren Horizont von vielen Jahren im Auge haben sollte. Die Unterstützungsleistung des Bundesheers für die Asylwerber ist jetzt einmal für etwa ein Jahr vorgesehen. Aber was wir auch von unseren Nachrichtendiensten wissen, ist, dass es nicht absehbar ist, wann etwa der Krieg in Syrien und damit der Flüchtlingsandrang in Europa ein Ende haben wird. Deswegen glaube ich, dass wir uns de facto auf einen langjährigen Einsatz einstellen müssen.

STANDARD: Sie meinen, sowohl im Inland als auch im Ausland?

Schmidseder: Ja, schlussendlich wird es auch eine staaten- und ressortübergreifende Präsenz vor Ort brauchen. Denn das Militär allein kann mit seinen Gewehren und Panzern keinen Frieden schaffen. Und neben der Sicherheit für die Bevölkerung braucht es in der Region auch im Speziellen Perspektiven für die jungen Menschen – nur dann bleiben sie auch in ihrer Heimat.

STANDARD: Auf Basis eines etwaigen UN-Mandats kann sich die Regierung vorstellen, dass sich Österreich aktiv an Friedensmissionen beteiligt, etwa beim Betreiben von Schutzzonen. Was kann man als Neutraler im Zuge eines militärischen Engagements gegen die Terrororganisation "Islamischer Staat" konkret leisten?

Schmidseder: Das ist ebenfalls eine politische Entscheidung. Aber auch hier haben wir Erfahrungen, was die Lage im Nahen Osten und in Afrika betrifft. Im Tschad etwa, wo es große Flüchtlingslager gab, haben wir im Rahmen unserer Mission die Räume zwischen den Zeltstädten überwacht – und so indirekt die Sicherheit vor Ort gewährleistet. (Nina Weißensteiner, 28.8.2015)